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Anhang

Ausgewählte Instrumente zur Verbesserung der Biosicherheit, zur Minderung von Dual-Use-Risiken und zur Förderung sicherer und ethisch verantwortungsbewusster biologischer Forschung

Globaler Leitfaden der WHO für die verantwortungsvolle Anwendung der Lebenswissenschaften

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2022 ihren „Global Guidance Framework for the Responsible Use of the Life Sciences“ veröffentlicht. Es handelt sich um ein umfassendes und praxisorientiertes Referenzdokument, das Staaten bei der Entwicklung nationaler Strategien zum Risikomanagement im Bereich der Biologie und Lebenswissenschaften unterstützen soll und sich auf Biosicherheit, Laborsicherheit und den Umgang mit Dual-Use-Forschung konzentriert. Es bietet eine Bewertung der aktuellen Situation und einige Leitwerte und -prinzipien für die Steuerung von biologischen Risiken sowie konkrete Instrumente und Mechanismen, die auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten sind. Im Anhang bietet es außerdem sieben hypothetische Szenarien, in denen Elemente des Global Guidance Framework angewendet werden könnten, und drei illustrative Fallstudien zu Forschungen, die Risikominderungs- oder Risikomanagementstrategien erforderten. Der Global Guidance Framework ist als unterstützende Ressource für Staaten gedacht; die Umsetzung ist nicht obligatorisch.

Tianjin-Biosicherheitsrichtlinien für Verhaltenskodizes für Wissenschaftler*innen

Die Tianjin Biosecurity Guidelines for Codes of Conduct for Scientists1 wurden gemeinsam von Vertretern der Tianjin-Universität in China, des Johns Hopkins Center for Health Security in den USA und der Interacademy Partnership (IAP) entwickelt. Sie sollen dazu beitragen, den Missbrauch der Biowissenschaften, auch für Waffenzwecke, zu verhindern, indem sie das Bewusstsein für das Dual-Use- und Missbrauchspotenzial biologischer Forschungen schärfen. Sie enthalten Prinzipien für den verantwortungsvollen Umgang mit den Biowissenschaften, die in nationale Biosicherheitsvorschriften und Verhaltenskodizes aufgenommen werden könnten. Diese Initiative geht auf einen Vorschlag für einen freiwilligen Verhaltenskodex für Forschende in den Biowissenschaften zurück, den China und Pakistan 2016 vorlegten.2 Auf der BWÜ-Überprüfungskonferenz im Jahr 2022 brachten China, Pakistan sowie Brasilien als Co-Sponsor die Tianjin Guidelines zur Endossierung durch die BWÜ-Vertragsstaaten ein.3 Zwar wurden die Guidelines von der Überprüfungskonferenz nicht formal angenommen , sie fanden aber unter den BWÜ-Mitgliedern sehr breite Unterstützung.

Der Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung in Deutschland

Der Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung in Deutschland folgt einem Bottom-up-Ansatz und betont die Verantwortung einzelner Forschenden und Forschungseinrichtungen in Anerkennung des Grundrechts auf Forschungsfreiheit, wie es in Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes4 verankert ist.

Nachdem im Jahr 2012 umstrittene sogenannte Gain-of-Function-Experimente mit einem Vogelgrippevirus (H5N1) veröffentlicht worden waren, entwickelten der Deutsche Ethikrat sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina jeweils Empfehlungen zum Umgang mit Dual-Use-Forschung in den Lebenswissenschaften. Beide Dokumente betonten die Freiheit der Forschung und die Notwendigkeit, Forschende für potenzielle Dual-Use-Risiken in ihrer Arbeit zu sensibilisieren. Während der Ethikrat5 auch einen Top-down-Regulierungsansatz vorschlug, der allerdings nicht umgesetzt wurde, konzentrierten sich DFG und Leopoldina6 auf die Selbstverwaltung der Wissenschaft und die Verantwortung der einzelnen Forschenden und Forschungseinrichtungen im Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung.

Letzterer Ansatz wird von DFG und Leopoldina weiterhin aktiv gefördert. Unter anderem werden Forschungseinrichtungen ermutigt, lokale Kommissionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung (KEF) einzurichten. Diese sollen Forschenden, die potenzielle Sicherheitsrisiken in ihrer Forschung identifiziert haben, Orientierung und Beratung bieten. Über den Gemeinsamen Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung, der 2014 eingerichtet wurde, um die Umsetzung ihrer Empfehlungen zu unterstützen, unternehmen DFG und Leopoldina auch Aufklärungs- und Sensibilisierungsbemühungen7 in der deutschen Wissenschaft.

Footnotes

  1. https://www.interacademies.org/sites/default/files/2021-07/Tianjin-Biosecurity-Guidelines-Codes-Conduct.pdf

  2. Delegation von China & Pakistan zur 8. BWC Review Conference. (2016, 15. November). Proposal for the development of a model code of conduct for biological scientists under the Biological Weapons Convention (BWC/CONF.VIII/WP.30.). Vereinte Nationen. https://documents.un.org/doc/undoc/gen/g16/252/49/pdf/g1625249.pdf

  3. Preparatory Committee. (2022, 7. April). The Tianjin Biosecurity Guidelines for Codes of Conduct for Scientists (BWC/CONF.IX/PC/WP.10.). Office of Disarmament Affairs, Vereinte Nationen. https://documents.un.org/doc/undoc/gen/g22/303/49/pdf/g2230349.pdf

  4. https://www.gesetze-im-internet.de/gg/index.html

  5. Deutscher Ethikrat. (2014, 7. Mai). Biosecurity – Freedom and Responsibility of Research. https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/englisch/opinion-biosecurity.pdf

  6. Gemeinsamer Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung. (2022, 1. November). Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung (2022): Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung. Leopoldina und DFG. https://www.sicherheitsrelevante-forschung.org/publikation-wissenschaftsfreiheit2022/

  7. Gemeinsamer Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung. (2022, 1. November). 4. Tätigkeitsbericht. Leopoldina und DFG. https://www.sicherheitsrelevante-forschung.org/publikation-taetigkeitsbericht2022/