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Anhang

Internationale Verträge im Zusammenhang mit der Abrüstung und Nichtverbreitung biologischer Waffen

Das Genfer Protokoll von 1925

Das „Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege“, üblicherweise als Genfer Protokoll von 19251 bezeichnet, verbietet den Einsatz chemischer und biologischer Waffen in Kriegen zwischen seinen Vertragsparteien. Im August 2024 hatte das Genfer Protokoll 146 Mitglieder. Mit der Unterzeichnung erklärten viele Vertragsparteien, dass sie sich gegenüber Staaten, die dessen Bestimmungen nicht einhalten, nicht mehr an das Protokoll gebunden fühlen würden, und behielten sich damit de facto das Recht vor, mit gleichen Mitteln Vergeltung zu üben. Das Verbot des Einsatzes von chemischen und biologischen Waffen hat sich jedoch zu einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm entwickelt, d. h., es gilt heute universell für alle Staaten und in internationalen sowie innerstaatlichen Konflikten.2

Deutschland unterzeichnete das Protokoll am 17. Juni 1925 und ratifizierte es am 25. April 1929. Es hat seine Mitgliedschaft zu keinem Zeitpunkt mit Vorbehalten verbunden.

Biowaffen-Übereinkommen

Das „Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen“ (Biowaffen-Übereinkommen, BWÜ)3 ist der älteste internationale Abrüstungvertrag, der eine ganze Waffenkategorie verbietet.4 Es wurde 1972 zur Unterschrift aufgelegt und trat 1975 in Kraft. Im August 2024 waren ihm 187 Staaten beigetreten. Das BWÜ verbietet uneingeschränkt die Entwicklung, die Herstellung, den Besitz, den Erwerb, das Zurückbehalten und die Weitergabe biologischer Waffen. Es verpflichtet seine Mitglieder außerdem, die Verbreitung von biologischen Waffenmaterialien zu verhindern, die internationale Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung von Biologie und Biotechnologie zu fördern und die Vertragsbestimmungen in nationales Recht umzusetzen. Biologische Forschung wurde nicht in das BWÜ aufgenommen, vermutlich weil der Dual-Use-Charakter eines großen Teils der biologischen Forschung und der Biotechnologie sowie die enge Verflechtung mit Fragen der öffentlichen Gesundheit es unmöglich gemacht hätten, bestimmte Forschungen pauschal zu verbieten oder einzuschränken, da dies auch legitime und nützliche Forschungsaktivitäten einschränken könnte.5

Als biologische Waffen bezeichnet man mikrobiologische oder andere biologische Agenzien oder Toxine „von Arten und in Mengen, die nicht durch Vorbeugungs-, Schutz- oder sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind“, sowie „Waffen, Ausrüstungen oder Einsatzmittel, die für die Verwendung solcher Agenzien oder Toxine die für feindselige Zwecke oder in einem bewaffneten Konflikt bestimmt sind“ (BWÜ Artikel I). Das Verbot ist also umfassend und nicht über bestimmte biologische Agenzien oder Arten von Trägersystemen, sondern über die Anwendungsabsicht für biologische Waffenzwecke definiert (Allgemeines Zweckkriterium). Dies bedeutet, dass auch neue wissenschaftliche und technologische Entwicklungen automatisch vom BWÜ abgedeckt werden.

Das BWÜ sieht keine Maßnahmen dafür vor, die Einhaltung seiner Bestimmungen zu überprüfen. Bemühungen, ein Verifikationssystem hinzuzufügen, schlugen 2001 fehl, und das Thema wurde erst vor kurzem wieder auf die offizielle BWÜ-Agenda gesetzt. Auf der 9. BWÜ-Überprüfungskonferenz im Jahr 2022 einigten sich die Vertragsstaaten darauf, eine neue Arbeitsgruppe einzurichten, deren Mandat es ist, konkrete und wirksame Maßnahmen, einschließlich möglicher rechtlich verbindlicher Maßnahmen, zu identifizieren und auszuarbeiten, um den Vertragsstaaten entsprechende Vorschläge zur Stärkung und Institutionalisierung des BWÜ zur weiteren Befassung vorzulegen.6 Neben Verifikation und Compliance behandelt die Arbeitsgruppe folgende Themen: internationale Zusammenarbeit und Unterstützung (International Cooperation and Assistance); nationale Implementierung (National Implementation); Unterstützung, Reaktion und Vorsorge (Assistance, Response and Preparedness); organisatorische, institutionelle und finanzielle Angelegenheiten (Organizational, Institutional and Financial Matters); Vertrauensbildung und Transparenz (Confidence-Building and Transparency) sowie wissenschaftliche und technologische Entwicklungen (Scientific and Technological Development).

Neue Entwicklungen in der Biologie und Biotechnologie bieten sowohl Chancen als auch Herausforderungen für das BWÜ und für die internationalen Bemühungen, es zu stärken. Einige Fortschritte in diesen und anderen einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen (wie etwa der KI) könnten dafür genutzt werden, den Schutz vor Biowaffen zu verbessern oder die Verifikation des BWÜ zu erleichtern. Einige Materialien und Technologien könnten jedoch auch für illegitime und feindselige Zwecke missbraucht werden oder die Hürden für die Entwicklung und den Erwerb biologischer Waffen senken. Die Bedeutung wissenschaftlicher Fortschritte wurde bereits bei der Aushandlung des BWÜ erkannt, und die Beobachtung relevanter wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen wurde als Aufgabe für die BWÜ-Überprüfungskonferenz in Artikel XII des Übereinkommens festgeschrieben. Während diese Aufgabe bisher nie systematisch ausgeführt wurde, ist die BWÜ-Arbeitsgruppe nun damit befasst, den Vertragsstaaten Empfehlungen zur Einrichtung eines „Mechanismus zur Überprüfung und Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen, die für das Übereinkommen relevant sind, und zur Bereitstellung relevanter Beratung für die Vertragsstaaten“ vorzulegen.7 Würde ein solcher Mechanismus eingerichtet, könnten damit wissenschaftliche und technologische Entwicklungen beobachtet, analysiert und bewertet werden. Dies könnte den Vertragsstaaten helfen, potenzielle Risiken zu erkennen und zu mindern, wie etwa Risiken, die sich aus der (besorgniserregenden) Dual-Use-Forschung ergeben. Der Mechanismus könnte auch dabei helfen, mögliche sich aus technologischen Entwicklungen ergebende Chancen für eine bessere Vorsorge für Krankheitsausbrüche jeglichen Ursprungs und für die Stärkung des BWÜ als Ganzes zu nutzen.

Zwar nimmt das BWÜ selbst weder Bezug auf Bioterrorismus noch auf Biosicherheit und Gesundheitsvorsorge, diese Themen sind aber in den letzten 20 Jahren in den BWÜ-Diskurs eingegangen und sind nun integraler Bestandteil der Diskussionen. Nicht alle damit verbundenen Definitionen und Auffassungen sind jedoch unter den BWÜ-Mitgliedern Konsens. Die diskursive Verschiebung hat das BWÜ dennoch in den Mittelpunkt eines größeren Maßnahmenpakets zur Minderung biologischer Risiken gerückt, wobei das Spektrum solcher Risiken von natürlichen Krankheitsausbrüchen über die versehentliche Freisetzung biologischer Agenzien und den vorsätzlichen Einsatz biologischer Stoffe für kriminelle oder terroristische Zwecke bis zum Einsatz biologischer Waffen durch Staaten reicht.

Deutschland unterzeichnete das BWÜ am 10. April 1972 und ratifizierte es am 7. April 1983.

Footnotes

  1. https://treaties.unoda.org/t/1925

  2. Henckaerts, J. & Doswald-Beck, L. (2005). Customary International Humanitarian Law, Volume I: Rules. International Committee of the Red Cross (ICRC). Cambridge University Press. https://www.icrc.org/sites/default/files/external/doc/en/assets/files/other/customary-international-humanitarian-law-i-icrc-eng.pdf

  3. https://treaties.unoda.org/t/bwc

  4. Für eine Analyse des BWÜ-Regimes s: Jakob, U. (2022). The Biological Weapons Convention. In T. Marauhn, & E. Myjers. (Hg.), Research Handbook on Arms Control Law (S. 258–277). Cheltenham: Edward Elgar.

  5. „Dual Use“ bezeichnet hier die Möglichkeit, dass legitime biologische Forschung, Technologien, Materialien oder Geräte für unfriedliche Zwecke – u. a. für Waffenzwecke - missbraucht werden könnten. Dual-Use -Forschung meint Experimente, die zwar nützlichen Zwecken dienen, deren Ergebnisse aber missbraucht werden könnten. Besorgniserregende Dual-Use-Forschung (engl. Dual Use Research of Concern, DURC) bezieht sich gemeinhin auf Forschung, deren Missbrauchspotenzial besonders groß und unmittelbar gegeben ist.

  6. Vereinte Nationen. (2022, 22. Dezember). Final Document of the Ninth Review Conference (BWC/CONF.IX/9). Vereinte Nationen. https://undocs.org/BWC/CONF.IX/9

  7. Vereinte Nationen, 2022; S. 11.