Neue Militärtechnologien in nationalen Sicherheitsstrategien – eine vergleichende Analyse
Wie betrachten Staaten Technologie im sicherheitspolitischen Kontext? Ein Vergleich der Analysen nationaler Sicherheitsstrategien (NSS) von zwölf Staaten zwischen 2017 und 2023 zeigt, dass unterschiedliche Ansätze bestehen, wie Sicherheit und Technologie wahrgenommen werden. Es gibt sowohl Konsens als auch Unterschiede bei relevanten Technologien, und es existieren Gruppen „gleichgesinnter“ Staaten. NSS neigen dazu, Sicherheit umfassend zu betrachten, weshalb Dual-Use-Technologien, insbesondere im Cyberbereich, KI oder Netzwerktechnologien, im Fokus stehen – entweder als militärische Ressourcen oder als Bedrohungen. Dies stellt die Rüstungskontrolle vor erhebliche Herausforderungen.
Die Diskussion über den Einfluss und die Bedeutung neuer Militärtechnologien für die (künftige) Kriegsführung und die globale Stabilität hat in den letzten zehn Jahren erheblich an Dynamik gewonnen, gerade im Zusammenhang mit den laufenden Kriegen gegen die Ukraine und im Gaza-Streifen. Insbesondere KI-gestützte Systeme für die Entscheidungsfindung und unbemannte Fahrzeuge werden in allen militärischen Bereichen getestet und in vielen Fällen in Operationen auf aktuellen Kriegsschauplätzen integriert. Dabei konzentrieren sich die Diskussionen dazu auf die Frage nach dem Potenzial dieser Technologien, nationale und internationale Sicherheit erheblich zu beeinflussen: Gleichzeitig gilt es, künftige, möglicherweise bahnbrechende Entwicklungen nicht zu verpassen und einen entsprechend breiten Blick einzunehmen. Diese Notwendigkeit und Dringlichkeit ergibt sich aus der janusköpfigen Natur bestimmter moderner Technologien, die sowohl als Chance als auch als Bedrohung wahrgenommen werden können – und die Reaktionen auf beide Aspekte werden als zeitkritisch empfunden. Einerseits bieten die neuen Technologien die Chance, durch rasche Innovation eine führende Rolle im globalen Wettbewerb einzunehmen und dadurch mehr strategische Autonomie, technologische Unabhängigkeit und militärische Macht zu erlangen – ganz zu schweigen von den zivilen Geschäftsmöglichkeiten. Andererseits sind neue Technologien oft mit sicherheitspolitischen Bedrohungswahrnehmungen verbunden, deren Relevanz und Bedeutung ex ante nur schwer einzuschätzen ist und auf die man im Zweifel vorbereitet sein muss.
In der polnischen Nationalen Sicherheitsstrategie wird zum Beispiel argumentiert:
„Die Entwicklung von Lösungen, die auf Festnetz- und mobilem Breitband (5G und nachfolgende Generationen), dem Internet der Dinge, Cloud Computing, Quantentechnologien, der Automatisierung von Dienstleistungen, maschinellem Lernen, Nanotechnologie und künstlicher Intelligenz basieren, schafft neue Entwicklungsmöglichkeiten für Polen, bringt aber auch bisher unbekannte Bedrohungen mit sich.“1
In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass viele der Technologien, die derzeit als besonders wichtig für die nationale Sicherheit angesehen werden, im Kern Dual-Use-Technologien sind und damit sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke genutzt werden können. Darüber hinaus sind, wie das obige Zitat zeigt, viele Technologien zuallererst zivile Technologien, die im zivilen Sektor entwickelt oder weiterentwickelt wurden. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zwischen der Gegenwart und der Zeit des Kalten Krieges, als die Verteidigungsindustrie wesentlich innovativer war und der weit häufigere Fall war, dass Militärtechnologie in den zivilen Sektor überging.
Einzelne Länder haben unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Technologien in naher oder ferner Zukunft für die Lösung ihrer Sicherheitsprobleme von Bedeutung sein könnten. Im Folgenden erörtern wir die Ergebnisse einer ersten qualitativen Inhaltsanalyse von 19 nationalen Sicherheitsstrategien aus zwölf Ländern, die zwischen 2016 und 2023 veröffentlicht wurden, und zeigen auf, wo Konsens besteht und wo sich die Staaten unterscheiden – sowohl in ihrem Verständnis von Sicherheit als auch in den Technologien, die sie als wichtig erachten. Dies wird nicht nur Staaten dabei helfen, „gleichgesinnte“ Staaten zu finden, mit denen sie zusammenarbeiten können, sondern auch neue Militärtechnologien und technologische Entwicklungen aufzeigen, die noch nicht auf dem Radar oder im blinden Fleck einiger der untersuchten Staaten sind. Schließlich gibt die Analyse Aufschluss darüber, wo technologische Dynamiken angesiedelt sind. Während einige Entwicklungen genuin militärisch sind, beziehen sich andere auf Dual-Use-Technologien. Gerade die Regulierung von Dual-Use-Gütern wirft besondere und meist komplexe Probleme auf, weil es zivilen Druck zur Nutzung und zum Export gibt. Immerhin ist eine Beschränkung über Rüstungskontrollabkommen bzw. Exportkontrollabkommen zumindest prinzipiell möglich.
Die Relevanz neuer Militärtechnologien
Es ist umstritten, ob neue Militärtechnologien tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf das Kampfgeschehen von heute und morgen haben und in welchem Umfang sie die nationale Sicherheit verbessern oder gefährden. Technologieenthusiasten verweisen in der Regel auf die aktuellen Entwicklungen auf den Kriegsschauplätzen in der Ukraine oder im Gazastreifen und argumentieren beispielsweise, dass bestimmte Arten von Drohnen die aktuelle Kriegsführung entscheidend verändert haben. Kritische Stimmen dagegen weisen darauf hin, dass Technologie allein noch nie ein entscheidender Faktor war und dass andere relevante Faktoren wie Strategie, Taktik, militärische Institutionen, Ausbildung oder Kultur – um nur einige zu nennen – die Relevanz der Auswirkungen von Technologie beeinflussen. Darüber hinaus haben einige Staaten eine sehr weit gefasste Definition von nationaler Sicherheit und betrachten auch Technologien, die zumindest auf dem Schlachtfeld nur eine begrenzte militärische Relevanz haben, während andere ein engeres Konzept sowohl in ihrem Verständnis von nationaler Sicherheit als auch im Hinblick auf relevante Technologien haben.
In aktuellen Debatten hat der Begriff „emerging disruptive technologies“ (EDTs), also neu auftretende und disruptive Technologien, in Bezug auf die nationale Sicherheit eine gewisse Zugkraft gewonnen – insbesondere bei militärischen und politischen Entscheidungsträger*innen. Das Konzept ist jedoch nicht unproblematisch, da noch immer unklar ist, welche Technologien im militärischen Bereich als „neu“ verstanden werden können, und es hierfür an Konsens mangelt. Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) zum Beispiel nennt sechs,2 die NATO neun.3 4
Allen diesen Technologien ist jedoch gemeinsam, dass sie von vielen als „disruptiv“ angesehen werden, da ihnen ein großer Einfluss auf militärische Ereignisse zugeschrieben wird „die Kriegsführung potenziell zu revolutionieren“5 oder, wie die EDA es ausdrückt, „die Regeln oder die Art der Kriegsführung innerhalb von ein oder zwei Generationen erheblich [zu verändern]“.6 Das impliziert, dass diese Technologien das Potenzial hätten, die bestehenden Machtverhältnisse sowohl regional als auch global dramatisch zu verändern – sofern die Einsatzdoktrinen entsprechend angepasst werden und andere relevante Faktoren stabil bleiben. Umgekehrt ist die Ungewissheit, ob und inwieweit sich ein solcher Einfluss tatsächlich einstellen wird, ein wesentlicher Faktor für die Disruptivität von Technologien. Als „neu“ und „disruptiv“ werden daher oft Technologien angesehen, die weniger in militärische Operationen integriert sind, die neu und noch nicht ausgereift sind und/oder noch nie in einem Konflikt eingesetzt oder getestet wurden. Über deren faktische Auswirkungen auf die künftige Praxis der Kriegsführung kann in vielen Fällen nur spekuliert werden. Die bloße Befürchtung, dass sich eine Technologie auf dem Schlachtfeld als disruptiv erweisen könnte, kann in einigen Fällen eine massive Triebkraft sein, während in anderen Fällen ein Mangel an Vorstellungskraft und technischem Weitblick die Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt oder gänzlich verhindert.
Andererseits wird nicht jede Technologie, in die ein Staat militärisch investieren möchte, als eine dieser EDTs betrachtet. In manchen Fällen streben Staaten nach der Weiterentwicklung bestehender Technologien, z. B. nach Kampfflugzeugen der nächsten Generation, um die Luftüberlegenheit zu wahren, oder modernisierten Versionen von Kampfpanzern mit größerer Reichweite, mehr Durchschlagskraft oder besserem Schutz. Gründe dafür könnten entweder sein, dass gradueller technologische Fortschritt das Potenzial hat, bestehende militärische Fähigkeiten zu verbessern und zu erhalten, oder dass die Fusion von Technologien – z. B. die Einbindung von KI in bestehende Systeme – die militärische Macht erhöht. Entwicklung und Besitz moderner Militärtechnologien erfüllen daher mehrere wichtige Funktionen: die eigenen militärischen Fähigkeiten zu verbessern und Stärke in der internationalen Politik zu signalisieren, die eigenen Soldat*innen besonders effektiv zu schützen – oder sogar auf Status und Prestige abzuzielen,7 performative Funktionen zu erfüllen, die mit der Erwartung der besagten unklaren, aber potenziell großen zukünftigen Bedeutung verbunden sind. Letztlich gibt es auch wirtschaftliche Auswirkungen, insbesondere wenn es sich bei der betreffenden Technologie um eine Dual-Use-Technologie mit signifikanten zivilen Anwendungen handelt.
Einige Worte zur Methodik
Mit der Inhaltsanalyse von Nationalen Sicherheitsstrategien (NSS) wollen wir einen Überblick über Technologien gewinnen, die für Regierungen relevant sind, um ihre jeweilige nationale Sicherheit zu fördern und aufrechtzuerhalten. Auch wenn sich Sicherheitskonzepte von Staat zu Staat unterscheiden, hilft die Analyse nicht nur, unterschiedliche technologische Präferenzen zwischen Staaten zu beschreiben, sondern auch die Entwicklung der Position eines bestimmten Staates gegenüber bestimmten Technologien im Laufe der Zeit sichtbar zu machen. In diesem Text beschränken wir die Analyse jedoch auf eine Querschnittsstudie. Mit einer Langzeituntersuchung werden wir uns in zukünftigen Studien detaillierter befassen. Daher präsentieren die folgenden Abschnitte die Ergebnisse einer ersten Analyse der zwischen 2016 und 2023 veröffentlichten NSS von zwölf ausgewählten Ländern, um die folgenden Fragen zu beantworten: Welche spezifischen Technologien werden als strategisch relevant erachtet, um zur Sicherheit, entsprechend dem nationalen Sicherheitsverständnis, beizutragen? Die untersuchten Länder waren: Belgien, Frankreich, Deutschland, Japan, die Niederlande, Pakistan, Polen, Russland, Spanien, Südkorea, Großbritannien und die Vereinigten Staaten.8 Insgesamt wurden 19 Dokumente analysiert. Die Auswahl erfolgte mit dem Ziel, eine möglichst vielfältige Stichprobe zu erhalten, gleichzeitig mussten die untersuchten Dokumente aber auch auf Englisch (oder einer vom Team kodierbaren Sprache) verfügbar sein, weshalb beispielsweise China nicht berücksichtigt wurde.
Die Analyse basiert auf einem detaillierten Kodierschema, das zunächst deduktiv erstellt und dann während mehrerer Runden der Testkodierung induktiv erweitert wurde. Daraus ergaben sich 18 übergeordnete Technologiekategorien mit insgesamt 159 Unterkategorien, die die Breite der Innovation und Forschung erfassen. Diese 18 Kategorien decken offensichtlich mehr ab als die oben aufgeführten sechs bzw. neun Kategorien, und einige der Kategorien stellen eher evolutionäre Entwicklungen bestehender Technologien als neu aufkommende disruptive Technologien dar. Wir haben diese evolutionären Technologien jedoch einbezogen, um ein besseres Bild der technologischen Präferenzen der Länder zu erhalten.
Verschiedene Länder, verschiedene technologische Präferenzen
Dieser Abschnitt enthält eine kurze Analyse für die ausgewählten Länder, welche Technologien als strategisch relevant betrachtet werden und wie die einzelnen Staaten diese Technologien im Rahmen ihrer nationalen Sicherheitsstrategien priorisieren.
Eindrücke aus Belgien
Die erste und bisher einzige nationale Sicherheitsstrategie Belgiens, veröffentlicht 2021, positioniert das Land im Herzen der EU, als eine demokratische Gesellschaft, die eine breite internationale Zusammenarbeit anstrebt, um Sicherheit zu gewährleisten. Die Strategie stützt sich auf Werte und Grundsätze, deren Schutz die belgische Regierung als Teil des Sicherheitsverständnisses des Landes darstellt und die gleichzeitig die Maßnahmen zur Erreichung dieser Sicherheit bestimmen. Ausgehend von einer Analyse der globalen politischen Trends und Entwicklungen zeigt die belgische NSS zehn Bedrohungen für ihre nationale Sicherheitsstrategie auf. Diese Bedrohungen betreffen die Wirtschaft, ihre Prosperität und ihre Bedeutung für die Demokratie, angesichts von zunehmendem Extremismus und Radikalisierung sowie neuen Verwundbarkeiten aufgrund der Abhängigkeiten von lebenswichtigen Infrastrukturen. Die Strategie weist ferner auf eine Krise hin, die sich aus einem Rückgang der internationalen Zusammenarbeit und des normativen Zusammenhalts ergibt, die die Bedrohungen und negativen Auswirkungen von globalen Gesundheitsereignissen, Naturkatastrophen und Klimawandel verstärkt. Was die „harte Sicherheit“ betrifft, so ist sich der belgische Staat der Zunahme hybrider und konventioneller Konflikte in der Nähe der europäischen Grenzen, aber auch in Südost- und Ostasien, und der Folgen für die NATO und die EU sehr bewusst. Bedrohungen durch chemische, biologische, radiologische und nukleare Substanzen (CBRN) und im Cyberspace – auch und besonders durch nichtstaatliche Akteure – sind Teil der NSS-Bedrohungsanalyse, die eng mit den fortschreitenden technologischen Entwicklungen verknüpft ist. Kommunikationstechnologien spielen in der Strategie eine wichtige Rolle und werden als Systeme betrachtet, die Schwachstellen, Abhängigkeiten, aber auch Chancen mit sich bringen. In diesem Zusammenhang werden insbesondere weltraumbasierte Systeme genannt, aber auch Technologien wie 5G. Daneben betont die belgische Regierung die Bedeutung von offensiven Cyber-Instrumenten – die am häufigsten genannte Unterkategorie – als Bedrohung, aber auch als Fähigkeit. Konventionelle Rüstungsgüter werden nicht breit diskutiert, was zeigt, dass der Fokus dieser ersten NSS auf eher hybride und immaterielle Gefahren und deren weitreichende Bedrohung für Gesellschaft und Frieden liegt.
Eindrücke aus Frankreich
In der nationalen strategischen Überprüfung von 2022, die auf der Version von 2017 und einer Aktualisierung von 2021 aufbaut, setzt Frankreich seine Ziele unter dem Eindruck einer „Welt neuer Spannungen“ und den Übergang „vom strategischen Wettbewerb zur strategischen Konfrontation“.9 Auf dieser Grundlage ruht Frankreichs nationale Sicherheit auf drei Säulen: (1) strategische Autonomie als Nation, aber auch als Führungsmacht innerhalb der Europäischen Union, (2) Widerstandsfähigkeit der Industrie und der Gesellschaft insgesamt und (3) starke Streitkräfte, die „eine robuste und glaubwürdige atomare Abschreckung bei[…]behalten“.10 Neben der Fähigkeit der „Force de Frappe“, der französischen Nuklearstreitkräfte, zur atomaren Abschreckung haben Frankreichs koloniale Vergangenheit und sein Streben nach einer aktiven Rolle auf der internationalen Bühne zu dem Balanceakt geführt, dass die konventionellen Fähigkeiten der französischen Streitkräfte das gesamte Spektrum von der globalen Intervention bis zur Landes- und Bündnisverteidigung abdecken müssen. In diesem Zusammenhang betont Frankreich die Idee, eine „Rahmennation“11 zu sein, was bedeutet, dass Frankreich – zumindest im Prinzip – volle Autonomie über seine Beschaffungs- und Technologieentscheidungen hat und eine industrielle Basis anstrebt, die dies ermöglicht, auch, um eine führende Rolle bei der Organisation und Koordination multinationaler Streitkräfte übernehmen zu können.
Neue und disruptive Technologien für das Militär werden in den NSS nur teilweise als Mittel zur Erreichung dieses Ziels gesehen, aber in erster Linie als potenzielle Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, wie die Fähigkeit zu einer „herausragenden Cyber-Resilienz“ und Maßnahmen, um „Handlungen unserer Konkurrenten im gesamten Spektrum der Hybridität entgegenzuwirken“ als „wesentlicher Bestandteil des Ausdrucks von Macht“.12 Was die eigenen militärischen Investitionen angeht, so geht aus Frankreichs Strategiepapieren hervor, dass die traditionellen Luft-, Boden- und Seesysteme technologisch aufgerüstet werden sollen, um optimal gegen alte und neue Bedrohungen zu schützen. Darüber hinaus soll in Bereiche investiert werden, die ein umfassendes und klares Bild der Lage ermöglichen und neue Bedrohungen identifizieren, bevor diese zu einer Gefahr werden. Der Fokus liegt hier primär auf Cyber- und Weltraumtechnik, aber auch auf herkömmlichen Aufklärungsmethoden wie Radar. Frankreich ist jedoch auch an offensiven Optionen interessiert, insbesondere im Bereich Cyber oder über Stealth-Optionen. Etwas überraschend ist, dass künstliche Intelligenz eine vergleichsweise geringe Rolle bei den militärischen Zielen der NSS spielt. Über diese militärischen Ziele hinaus, verbindet Frankreich die nationale Sicherheit mit der Fähigkeit, Bedrohungen zu begegnen, die sich „aus den Folgen des Klimawandels und der Verschlechterung der Biodiversität ergeben: Nahrungsmittel als Waffe, Macht und Selbstversorgung, [einschließlich] chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Gefahren (CBRN)“.13
Eindrücke aus Deutschland
Die erste nationale Sicherheitsstrategie Deutschlands aus dem Jahr 2023 hat ein sehr breites Verständnis von Sicherheit und deckt ein breites Spektrum ab, von konventionellen militärischen Bedrohungen, der Sicherheit der Energieversorgung (als Antwort auf die Abhängigkeit von russischer Energie) und die sichere Versorgung mit Medikamenten bis hin zum Klimawandel und dem Schutz der internationalen Ordnung. In Folge konzentriert sich das Dokument wenig auf spezifische (militärische) Technologien. Stattdessen befasst es sich mit den übergreifenden strategischen Zielen, wie integrierte Sicherheit und Resilienz, und den Herausforderungen, die sich aus diesen Zielen ergeben. Eine der zentralen Herausforderungen sind Cyber-Bedrohungen durch verschiedene Akteure und die Anfälligkeit kritischer Systeme, wie in den in den letzten Jahren in mehreren Situationen schmerzlich erfahren wurde, sowie die Erfahrung von Abhängigkeiten im IT- und Halbleitersektor während der Covid-19-Pandemie oder die Diskussion um die Sicherheitsimplikationen der von chinesischen Unternehmen dominierten 5G-Mobilfunknetze. Basierend auf dieser Einschätzung sind Computer- und Kommunikationstechnologien einer der wenigen technologischen Bereiche, die ausdrücklich erwähnt werden. Dabei sind die wichtigsten Prioritäten künstliche Intelligenz und die damit verbundene Verfügbarkeit der notwendigen IT-Infrastrukturen, Cybersicherheit und die Entwicklung von Netzwerkinfrastrukturen und -technologien. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Quantencomputing und quantensichere Kommunikation. Als übergreifendes nationales Ziel verfolgt die NSS Deutschlands die Erreichung und Erhaltung der gesamtgesellschaftlichen Resilienz. Vor diesem Hintergrund sollen die genannten Technologien auch unter ökonomischen Perspektiven ihren Teil beitragen, insbesondere in Zusammenarbeit mit europäischen Partnern.
Eindrücke aus Japan
Die nationale Sicherheitsstrategie Japans von 2022 unterstreicht, dass die internationale Ordnung vor fundamentalen Herausforderungen steht, und konzentriert sich zunächst auf die militärischen Aufrüstungen in der Region. Sie erweitert das Verständnis von nationaler Sicherheit auch auf nicht-militärische Aspekte, insbesondere die Wirtschaft, und stellt hierbei aber eine klare Verbindung zwischen militärischer und wirtschaftlicher Macht her. China, Nordkorea und Russland werden explizit als die Staaten genannt, deren umfangreiche Aufrüstung als Bedrohung gekennzeichnet wird. Weiterhin wird von Russland und China angenommen, dass sie ein Interesse an territorialer Expansion und dem Umsturz der bestehenden Weltordnung hegen, während Nordkorea vor allem wegen seines Raketen- und Atomprogramm als eine unmittelbare Bedrohung gesehen wird.
In der NSS wird erläutert, wie und warum Japan vor diesem Hintergrund seine eigenen na-tionalen Interessen verfolgen sollte. Um das zu erreichen, werden unter anderem Compu-tertechnologien, einschließlich Cybersicherheit, künstliche Intelligenz und Data Science als unabdingbar für die Sicherheit angesehen. Weitere Bedeutung wird Raketentechnologien zugewiesen, insbesondere fortgeschrittenen ballistischen Raketentechnologien, Hyperschalltechnologien und Waffen, die davon Gebrauch machen können. In diesem Zusammenhang wird stets auf die Wichtigkeit der entsprechenden Raketen- und Flugabwehr verwiesen. Technologien im Hinblick auf fortgeschrittene konventionelle Fähigkeiten und Schutz haben für Japan höchste Priorität. Nachrichtendienstliche Fähigkeiten und informationelle Informationskriegsführung machen hierbei einen großen Teil aus, während der Schutz vor CBRN-Waffen und die konventionellen Fähigkeiten der japanischen Selbstverteidigungskräfte ebenfalls hervorgehoben werden. Die in der NSS erwähnten Technologien werden häufig im Zusammenhang mit regionalen Akteuren wie China und Nordkorea kontextualisiert, was die Bedeutung von Forschung und Entwicklung für Japan in den jeweiligen Bereichen zusätzlich zum Ausdruck bringt.
Eindrücke aus der Republik Korea
Die nationale Sicherheitsstrategie der Republik Korea wurde im Jahr 2023 veröffentlicht und bildet einen umfassenden Ansatz zur Lösung globaler Probleme, während Nordkoreas kontinuierliche Weiterentwicklung seiner (taktischen) nuklearen Fähigkeiten und anderer Massenvernichtungswaffen als die größte Bedrohung in der Region angesehen wird. Die Nation nimmt eine Verschiebung in der Weltpolitik zur Kenntnis und unterstreicht die Bedeutung des sich verschärfenden Wettbewerbs zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China, der zu einer Militarisierung von Industrien und Ressourcen sowie zur Fragmentierung globaler Lieferketten geführt hat. Zusätzlich werden aktuelle Sicherheitsbedrohungen, z. B. Infektionskrankheiten, Klimawandel und Cyberangriffe, als wichtige Aspekte angesehen, die angegangen werden müssen.
Dafür ist es unumgänglich, so deutet die NSS an, ein schlagkräftiges Militär mit einem so-liden technologischen Rückgrat zu entwickeln. Dem kommt aufgrund der Auswirkungen auf die nationale Sicherheit Südkoreas höchste Priorität zu. Insbesondere Computertech-nologien spielen dabei eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang gehen verschiedene Anwendungen, die auf künstlicher Intelligenz und Data Science beruhen, Hand in Hand mit offensiven und defensiven Aspekten im Cyber-Bereich. Die NSS nennt auch Technologien, die für Umweltlösungen und die Landwirtschaft benötigt werden, und konstatiert die Bedeutung der Nukleartechnologie im Allgemeinen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die fortgeschrittene Luftfahrt- und Raketentechnologie. Hinsichtlich Nordkoreas Fähigkeiten und Entwicklungen, einschließlich Hyperschallwaffen, konzentriert sich die NSS auf die Entwicklung und den weiteren Ausbau kompetenter Raketen- und Flugabwehr, fortgeschrittener ballistischer und anderer Raketentechnologien, um potenziellen Angriffen entgegenzuwirken und sie abzuwehren.
Eindrücke aus den Niederlanden
Wie die Bemühungen der niederländischen Diplomatie in internationalen Gremien zeigen, spiegeln die drei nationalen und internationalen Sicherheitsstrategien von 2018, 2019 und 2023 eine sich wandelnde Welt wider, in der sich die Gesellschaft und die Bedrohungen für die nationale und internationale Sicherheit verändern und das internationale Umfeld umgestalten. Neue, sich ständig wandelnde und potenziell disruptive Umstände in verschiedenen Bereichen können, so wird festgestellt, die nationale Sicherheit beeinflussen und dazu führen, dass das Königreich der Niederlande seine Sicherheitsstrategie anpassen muss. Allen drei NSS gemeinsam ist der Schwerpunkt auf digitale Bedrohungen und Cybersicherheit, wobei Cybersicherheit nicht nur mit nationaler Sicherheit, sondern auch mit gesellschaftlichem Frieden, demokratischer Kontinuität und wirtschaftlichem Wohlstand in Verbindung gebracht wird. Auch wenn die Strategien nur wenige Technologien als Lösung für Sicherheitsbedrohungen nennen, beschreiben sie verschiedene politische Programme wie die Überwachung und die Prüfung neuer Technologien, um potenziellen Bedrohungen zu begegnen. Die Entwicklung und der Ausbau inländischer technologischer Anstrengungen werden als unumgänglich für die nationalen Sicherheitsinteressen der Niederlande angesehen. Darüber hinaus ist das Königreich besonders besorgt über offensive Cyberangriffe, die sich gegen die Bevölkerung und die Wirtschaft richten und zu massiven Zusammenbrüchen führen könnten. In ähnlicher Weise hebt die NSS die Risiken von Falsch- und Desinformationen hervor, die die Gesellschaft zunehmend beeinflussen und im Informationskrieg zu mehr hybriden Konflikten führen könnten, ohne klare Grenze, aber mit weitreichenden Sicherheitsauswirkungen. Eine zusätzliche Sorge der niederländischen Strategie ist die internationale Verbreitung und Rolle von Massenvernichtungswaffen, woran sich ihr Interesse an Abrüstung und internationaler Stabilität zeigt. Wie andere Staaten sind auch die Niederlande sensibilisiert für die Folgen des Klimawandels und die Rolle des technologischen Fortschritts bei der Bewältigung seiner Folgen.
Eindrücke aus Pakistan
Die nationale Sicherheitsstrategie Pakistans ist das erste offizielle Dokument seiner Art und wurde im Jahr 2022 veröffentlicht. Sie konzentriert sich auf verschiedene Aspekte der Sicherheit, von Geopolitik bis hin zu eher innenpolitischen Themen wie Wirtschaft, Technologie und Wohlergehen der Bevölkerung. Pakistan stellt wirtschaftliche Sicherheit in den Mittelpunkt seines nationalen Sicherheitsverständnisses und betont, dass dies notwendig sei, um Bedrohungen der nationalen Sicherheit und anderen Sicherheitsherausforderungen begegnen zu können. Diese Bedrohungen reichen von wirtschaftlichen Disruptionen, Defiziten im öffentlichen Sektor bis hin zu natürlichen und gesundheitlichen Gefahren. Im Sinne eines traditionellen Sicherheitsverständnisses adressiert Pakistan die vom Terrorismus und der Aufrüstung von konventionellen Kräften in der Region ausgehende Gefahr, die territoriale Souveränität des Landes verletzen zu können; wobei letzteres im Verlauf der NSS mehrfach betont wird. Es ist keine Überraschung, dass Pakistan als Atommacht die nukleare Abschreckung als unverzichtbares Mittel für seine nationale Sicherheit betrachtet. Allerdings werden in der NSS von Pakistan verschiedenste Bedrohungen thematisiert, wobei es im Allgemeinen für notwendig gehalten wird, die eigenen konventionellen Fähigkeiten zu erweitern, um Herausforderungen begegnen und seine nationale Sicherheit verteidigen zu können. An dieser Stelle ist es auch wichtig zu erwähnen, dass an unterschiedlichen Stellen Indien zur Diskussion gestellt wird. Hierbei werden hegemoniale Ansprüche und der gleichzeitige Auf- und Ausbau der Armee durch fortschrittliche Technologien Indiens thematisiert und kritisiert. Somit wird erneut deutlich, wie wichtig es für Pakistan ist, technologische Lücken zu schließen, insbesondere in Bezug auf Indien.
Auf den ersten Blick scheint es einen Unterschied zwischen militärischen Mitteln wie der Modernisierung konventioneller militärischer Fähigkeiten sowie der elektronischen Kriegs-führung einerseits und Technologien für zivile Zwecke andererseits zu geben, die nicht nur für die Sicherheit, sondern für die gesamte Entwicklung Pakistans benötigt werden. Zu diesen Technologien zählen Computertechnologien, darunter auch Anwendungen, die auf künstlicher Intelligenz und Data Science aufbauen und sichere sowie effiziente Kommunikationsfähigkeiten über alle Bereiche hinweg umschließen. Sie sind für Pakistan von höchster Priorität. Im Zusammenhang mit den genannten Technologien konzentriert sich die NSS auch auf unterschiedliche Aspekte der Cybersicherheit und -verteidigung. Aus der NSS geht hervor, dass Pakistan einen Technologieansatz anstrebt, der der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung zugutekommen soll. Gleichzeitig sollen hieraus entstehende Nutzen und Fortschritte in die Verteidigungskapazitäten einfließen, um sich wandelnden Bedrohungen für die nationale Sicherheit begegnen zu können.
Eindrücke aus Polen
Polens nationale Sicherheitsstrategie von 2020 beruht auf einer klaren Vision nationaler Interessen sowie der Analyse interner und externer Probleme und Chancen durch technologische Entwicklungen, sowohl ziviler als auch militärischer Art. Die NSS betont die wachsende Rivalität zwischen den USA, China und Russland und benennt deren Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen. Während die USA als Partner bezeichnet werden und die Volksrepublik China nur einmal erwähnt wird, kommt Russland in Polens NSS eine besondere Rolle zu. Es ist bemerkenswert, dass Polen bereits im Jahr 2020 von den Risiken spricht, die von Russlands „neoimperialer Politik“ ausgehen. Darauf aufbauend wird Russland als die „größte Bedrohung“ für die nationale Sicherheit Polens wie auch für die Sicherheit des internationalen Systems im Allgemeinen angesehen. Russlands „intensive Entwicklung“ seiner militärischen Fähigkeiten wird als eine weitere Bedrohung betrachtet, mit der Polen und seine internationalen Partner in Europa konfrontiert sind.14
Infolgedessen werden die Entwicklung und Förderung „neuer Technologien“15 mit militäri-schem Fokus als Notwendigkeit für Polens nationale Sicherheit gesehen. Zunächst wird in der NSS angesichts der russischen Aggression in der Nachbarschaft eine proaktive Teilnahme an einer Politik der nuklearen Abschreckung unter dem Dach der NATO akzentuiert. Darüber hinaus weist sie auf die Bedeutung des technologischen Fortschritts bei ballistischen Raketen und anderer Raketentechnik und deren entsprechenden Gegenmaßnahmen hin, z. B. Flug- und Raketenabwehr. Trotz eines breiten Blicks auf neu aufkommende und disruptive Technologien liegt der Schwerpunkt der NSS auf technologischen Bereichen wie Computing und Kommunikation. Es wird darauf hingewiesen, dass Netzwerk- und elektromagnetische Technologien, zusammen mit fortgeschrittenem „Command and Control“,16 die auf neuen Wegen der Verschlüsselung und Netzsicherheit aufbauen, einen enormen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit Polens auf internationaler Ebene haben werden. Innerhalb der Computertechnologien werden die Implementierung von künstlicher Intelligenz sowie Cybersicherheit und offensive Cyber-Instrumente als wichtig für Polens nationale Interessen genannt.
Eindrücke aus Russland
Im Allgemeinen betont die nationale Sicherheitsstrategie Russlands von 2021 die Wahrung und den Schutz der Rechte und Freiheiten russischer Bürger*innen und zielt darauf ab, Bedrohungen von außen und innen abzuwenden, die sich negativ darauf auswirken. Vor dem Hintergrund dieser Prioritäten identifiziert die Strategie Bedrohungen mit Auswirkungen auf die Gesundheit, Lebenserwartung und Sterblichkeit der Bürger oder die destabilisierende Wirkung von Internetkommunikation und – aus russischer Sicht – Falschinformationen und deren Auswirkungen auf die soziale und politische Lage. In Bezug auf militärische Gewalt betont die nationale Sicherheitsstrategie, dass diese von den Akteuren in den internationalen Beziehungen zunehmend eingesetzt wird, um ihre geopolitischen Ziele zu erreichen. Als eine besondere Bedrohung für strategische Stabilität und internationale Sicherheit wird die Stationierung von Mittel- und Kurzstreckenraketen in Europa und im asiatisch-pazifischen Raum sowie die Eskalation der Spannungen in Regionen im und um den postsowjetischen Raum, in Afghanistan, auf der koreanischen Halbinsel und im Nahen Osten benannt. Um diesen so wahrgenommenen Bedrohungen zu begegnen, verfolgt Russland den Ansatz, eine technologische Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten, indem es seinen Rüstungsindustriekomplex unterstützt, Innovationen fördert und weiterhin neue Modelle, Komplexe und Systeme für zivile und militärische Mittel schafft. Wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt wird daher als unverzichtbar für internationale Wettbewerbsfähigkeit und nationale Sicherheit angesehen. Innerhalb der NSS liegt der Schwerpunkt auf fortschrittlichen Fertigungsmethoden und Werkstoffen, wie z. B. additiver Fertigung, Nukleartechnologie zur Energieerzeugung sowie Lösungen für Umweltfragen. Wenig überraschend wird die Fähigkeit der atomaren Abschreckung als bedeutsam für das nationale Interesse betrachtet. Computing-Technologien, die eine Kombination aus künstlicher Intelligenz, Hochleistungscomputern, Data Science und Aspekte der Cybersicherheit, aber auch Maßnahmen zum Schutz der Bürger vor Fehlinformationen und zur Erlangung von „Informationssicherheit“ beinhalten, sind weitere instrumentelle Fähigkeiten für Russland.
Eindrücke aus Spanien
Die nationalen Sicherheitsstrategien Spaniens für 2017 und 2021 befassen sich ausführlich mit globalen Transformationsprozessen sicherheitspolitischer, wirtschaftlicher wie ökonomischer und ökologischer Natur. Sie diskutieren detailliert die Risiken, Gefahren und den Anpassungsbedarf, den diese für Spanien mit sich bringen. Die NSS betonen auch die Rivalität zwischen den USA und China, insbesondere im technologischen Bereich. Darüber hinaus wird Chinas Fortschritt bei „kritischen und Dual-Use-Technologien“17 als ein Aspekt gesehen, der internationale Konflikte weiter verschärfen kann. Indien, Iran, Russland und die Türkei werden als regionale Akteure genannt, die eine stärkere internationale Position anstreben. Spaniens Antwort auf ein sich veränderndes internationales Umfeld basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz und stellt sogar ein Modell zur Krisenprävention vor, das in den Rahmen des nationalen Sicherheitssystems gestellt werden sollte. Die wichtigsten technologischen Säulen dieses Systems sind Computer- und Energietechnologien. Angesichts der geopolitischen Rolle Spaniens als Erzeuger von Solarenergie, aber auch für den Transfer erneuerbarer Energie von Afrika nach Europa, werden Energietransport- und -übertragungstechnologien, Energiespeichersysteme und -infrastrukturen sowie neue Energiematerialien stark hervorgehoben. Neben diesem Schwerpunkt offenbart die breite Analyse der Strategie und ihrer gesamtgesellschaftlichen Perspektive die Berücksichtigung vieler verschiedener weiterer Technologien und Technologiebereiche als EDTs. Computing-Technologien wie künstliche Intelligenz und Cybersicherheit haben höchste Priorität. Darüber hinaus spielen weltraumbezogene Themen wie Mikrosatelliten für Kommunikation, Navigation und Überwachung sowie eine umfassendere Sicherheitsvision für den Weltraum eine wichtige Rolle. Eine weitere wichtige Erkenntnis aus den NSS Spaniens ist die Betonung der Verflechtung von Technologie, Wirtschaft und geopolitischer Konfrontation, was die Bedeutung des technologischen Fortschritts für die nationale Sicherheit Spaniens unterstreicht.
Eindrücke aus dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland
Die beiden Strategien des Vereinigten Königreichs, die 2021 bzw. 2023 veröffentlicht wurden, spiegeln das sich verändernde internationale Umfeld gut wider. Das Papier von 2021 beschreibt eine fragmentierte internationale Gemeinschaft und Herausforderungen für die innere Sicherheit, den Wohlstand und die Souveränität, verstärkt durch Klimawandel, Gesundheitskrisen und Bedrohungen für die liberale Demokratie. „Refresh“, das Papier von 2023, ist wesentlich expliziter. Hier findet sich ein deutlich stärkerer Fokus auf traditionelle Sicherheitsbedrohungen und die geopolitischen Veränderungen und Sicherheitsherausforderungen, insbesondere im Verhältnis zu Russland und China. Der technologische Wandel wird als eine der wichtigsten Triebkräfte für die Gestaltung des internationalen Umfelds verstanden. Es überrascht entsprechend nicht, dass beide Papiere viele Errungenschaften des Vereinigten Königreichs benennen und neben den derzeitigen wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Fähigkeiten explizit auch die technologischen Fähigkeiten des Vereinigten Königreichs erwähnt werden.
Nach dem Brexit unterstreicht das Land die Bedeutung internationaler Allianzen und neuer Partner, die ähnliche Interessen verfolgen. Was die vorrangigen Technologien anbelangt, so nennt das Vereinigte Königreich als Atommacht seine Fähigkeiten und Nuklearstrategie in den NSS am häufigsten. Neben den sicherheits- und stabilitätsrelevanten Atomwaffen, betont das Vereinigte Königreich die Bedeutung konventioneller Plattformen, die zur Sicherung seiner militärischen Fähigkeiten benötigt werden. Darin spiegelt sich einer der Schwerpunkte der Strategien, der darauf liegt, auf die Verteidigung der inneren Sicherheit vorbereitet zu sein. Interessanterweise sind digitale Technologien weniger stark vertreten, d. h. sie wurden weniger detailliert beschrieben als Technologien, die mit dem britischen nuklearen und konventionellen Arsenal in Verbindung stehen. Allerdings bedeu-tet das nicht, dass digitale Technologien für das Vereinigte Königreich keine Priorität ha-ben, denn es ist anzunehmen, dass sie als neu aufkommende Technologien verstanden werden, die das Land tatsächlich mehrfach als zentralen Faktor im globalen Wettbewerb nennt. Nur einmal werden hier auch Beispiele genannt, nämlich KI, Quantentechnologien und synthetische Biologie. Da das Vereinigte Königreich über eine lange etablierte strate-gische Kultur verfügt, gibt es zusätzliche sicherheits- und verteidigungsbezogene Strate-gien, die sich sehr detailliert mit militärischer Wissenschaft, Technologie und Innovation im digitalen und konventionellen Bereich auseinandersetzen.
Eindrücke aus den Vereinigten Staaten von Amerika
Die beiden analysierten NSS der USA aus den Jahren 2017 und 2022 sind jeweils durch eine eigene Risikoanalyse und ein eigenes Verständnis von Sicherheit geprägt – was angesichts der beiden herausgebenden Administrationen auch nicht überrascht –, unterscheiden sich aber dennoch nicht in der breiteren strategischen Bedrohungswahrnehmung in Bezug auf den Großmachtwettbewerb mit China und Russland. Beide Strategien erklären die beiden Staaten zu Herausforderern in einem globalen Wettbewerb um Macht und He-gemonie. Während die Strategie von 2017 andere Bedrohungen der nationalen Sicherheit berücksichtigt, indem sie die nationale von der internationalen Sphäre abgrenzt, beinhaltet die Strategie von 2022 mehr transnationale Bedrohungen, wie Klimawandel und (nach Corona wenig überraschend) Pandemien, und verbindet internationale Bemühungen mit der nationalen Sicherheit. Die Bedeutung von militärischer Macht und Atomwaffen ist ein roter Faden, entweder um Stärke zu zeigen und das als Vorteil zu nutzen und/oder um solche militärischen Fähigkeiten zur Abschreckung und für die eigene Sicherheit zu nutzen.
Die USA sehen technologische Innovation in erster Linie als Instrument, um ihren Wettbewerbsvorteil aufrechtzuerhalten, denn Technologie wird als zentral im Großmachtwettbewerb verstanden und ist daher entscheidend für die nationale Sicherheit. Die NSS zeigen, dass die USA beabsichtigen, ihren technologischen Vorsprung zu halten, indem sie weiter in Forschung und Entwicklung neuer disruptiver Technologien investieren – ein Thema, das die USA bereits spätestens seit den 1990er Jahren unter dem Label „keeping the technological edge“18 verfolgen.
Computing-Technologien wie (zuverlässige/vertrauenswürdige) künstliche Intelligenz, Data Science und die Anwendung höchstleistungsfähiger Computer in Kombination mit Cybersicherheit und -verteidigung stehen im Mittelpunkt. Darüber hinaus weisen die USA sowohl auf die Bedeutung des CBRN-Schutzes als auch auf Technologien für (defensive) nachrichtendienstliche Fähigkeiten und Informationskriegsführung hin. Außerdem betonen die USA die Bedeutung von Weltraumtechnologien, insbesondere Technologien, die weitere Fähigkeiten zur Kommunikation und Überwachung ermöglichen sollen. Energietechnologien, womit erneuerbare Energien, Energieunabhängigkeit sowie deren Management, Speicherung und effiziente Nutzung abgedeckt werden sollen, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Außerdem wird Energie als ein Bereich angesehen, in dem die USA ihre Dominanz behaupten und ihren Wettbewerbsvorteil weiter ausbauen können. Letzteres ist die wichtigste Erkenntnis aus den NSS der USA. Beide Strategien legen einen klaren Schwerpunkt auf den weiteren Ausbau und den Erhalt des technologischen Vorsprungs, insbesondere angesichts der Machtkonkurrenz mit Staaten wie Russland und China.
Die Staaten im Vergleich – Schwerpunkte und blinde Flecken
Vergleicht man die Daten länderübergreifend, ergeben sich interessante Beobachtungen, von denen hier nur einige exemplarisch aufgegriffen werden.
Zunächst ist es wichtig festzustellen, dass eine nationale Sicherheitsstrategie das entscheidendste und richtungsweisendste Dokument für die nationale Sicherheitspolitik ist. Wenn auf dieser Ebene einzelne neue Militärtechnologien als relevant, erstrebenswert oder bedrohlich erachtet werden, ist dies sehr bedeutsam. Je mehr dieser Technologien erwähnt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Staat bestrebt ist, sein Militär entsprechend technologisch auszurüsten und notwendige Organisationsstrukturen aufzubauen oder anzupassen. Im Gesamten betrachtet ist die Bandbreite der Erwähnungen von Technologien in den NSS sehr groß. Während die deutsche NSS gerade einmal fünf von 18 Technologiekategorien erwähnt (gefolgt von Belgien mit sieben), sind es in der koreanischen NSS 17. Während es nicht überraschend ist, dass die amerikanische und britische NSS ebenfalls viele Technologiekategorien erwähnen (14 bzw. 15), überrascht dagegen die spanische NSS mit 15 Erwähnungen. Russland nennt wie Polen jeweils 13 Kategorien als wichtig, Frankreich elf.
Welche Länder weisen Ähnlichkeiten in Bezug auf die Nennung von Technologien auf? Die USA haben ähnliche Prioritäten wie Großbritannien, Russland und – überraschenderweise – Spanien und unterscheiden sich am meisten von Deutschland. Deutschland wiederum setzt ähnliche Technologieprioritäten wie Belgien, gefolgt von Korea und Pakistan. Generell unterscheiden sich die deutschen Prioritäten erheblich von denen seiner größeren EU- und NATO-Partner, z. B. Spanien, Großbritannien oder die USA. Diese drei Staaten bilden eine recht ähnliche Gruppe. Russland kommt jedoch nahe heran und setzt ähnliche Technologieprioritäten wie die USA oder Großbritannien.
Schwerpunkte: Sicherheitsrelevante Technologien für die meisten Staaten
Trotz der großen Bandbreite an Nennungen stechen einige der genannten Technologien als besonders bedeutsam hervor und werden von besonders vielen Staaten erwähnt. Die folgende Grafik gibt einen Überblick darüber, wie viele der zwölf betrachteten Länder das jeweilige Technologiefeld in ihren NSS erwähnt haben.
Drei Technologiefelder werden von allen betrachteten Ländern als relevant erachtet: Kommunikation, Computing und „fortgeschrittene konventionelle Fähigkeiten und Schutz“, gefolgt von Quantentechnologie, die von elf von zwölf Ländern genannt wird.
Der hohe Wert von Computing ist hier keine große Überraschung, da die Kategorie die besonders intensiv diskutierten Bereiche Cyber und künstliche Intelligenz umfasst. Alle zwölf Länder diskutieren diese Themen, wobei oft digitale Herausforderungen und Reaktionen darauf diskutiert werden. Angesichts der Bedeutung von Cyberangriffen seit Anfang der 2000er Jahre ist dies keine Überraschung.
Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass Cybersicherheit und Abwehrmaßnahmen eine besonders wichtige Rolle spielen, wobei auch das Streben nach offensiven Cyberfähigkeiten immer wieder genannt wird. Dieses explizite Interesse an offensiven Cyberoperationen, das hier auf der Ebene der NSS zum Ausdruck kommt, ist insofern besorgniserregend, als es Ängste vor Überraschungsangriffen und einem „Cyber-Wettrüsten“ schürt und die Gefahr von Rüstungsdynamiken erhöht. Im Zusammenhang mit Computing wird auch künstliche Intelligenz häufig als Schlagwort erwähnt, bleibt aber in Bezug auf konkrete Anwendungen, zumindest auf dieser Ebene, interessanterweise vage. Konkretere Themen, die erwähnt werden, sind insbesondere die Datenwissenschaft, also die Analyse von Mustern, die in großen Datenmengen, manchmal aus unterschiedlichen Quellen, von Interesse sind. Manchmal wird KI auch mit der Entwicklung autonomer Systeme in Verbindung gebracht. Es wird erwartet, dass KI bedeutende Teile der Gesellschaft verändern wird, daher gehen die meisten Militärs davon aus, dass die Auswirkungen auf die Kriegsführung und das Militär ebenfalls enorm sein werden. Interessant ist jedoch, dass gerade in diesem Bereich einige Länder militärisch stärker von der Dual-Use-Relevanz von KI zu profitieren scheinen als andere. Während es beispielsweise bei westlichen KI-Entwickler*innen eine gewisse Zurückhaltung zu geben scheint, ihre Produkte vom Militär verwenden zu lassen (die Weigerung der Google-Programmierer*innen, am Projekt „Maven“ teilzunehmen, ist das deutlichste Beispiel19), sind diese Vorbehalte in anderen Ländern, beispielsweise in China, viel weniger ausgeprägt. Diese Dynamik könnte sich jedoch ändern, wenn man bedenkt, dass Silicon Valley und andere ehemalige zivile IT-Dienstleister in der Ukraine Produkte speziell für militärische Anwendungen entwickeln.20
Die zweite Kategorie, auf die sich alle Staaten einigen können, ist der damit verbundene Bereich der Kommunikation mit einem besonderen Schwerpunkt auf Netzwerktechnologie, Verschlüsselung und Netzwerksicherheit – auch hier ein Beispiel, wo sich zivile und militärische Anwendung derselben Technologien überschneiden. Andere aufkommende Aspekte der Kommunikation mit stärkerem militärischem Schwerpunkt, wie neue Formen der Befehls- und Kontrollgewalt oder elektronische Kriegsführung, werden etwas weniger häufig benannt. Dies kann jedoch daran liegen, dass diese Aspekte für die nationalen Sicherheitsstrategien zu militärspezifisch sind, und es ist anzunehmen, dass diesen Technologien in nationalen Strategien, die stärker auf militärische Forschung und Entwicklung ausgerichtet sind, eine größere Bedeutung beigemessen wird.
Der dritte Bereich, in dem alle Staaten technologischen Investitionsbedarf sehen, ist „fortgeschrittene konventionelle Fähigkeiten und Schutz“, wobei der Schwerpunkt hauptsächlich auf bereits vorhandenen Technologien liegt. Diese Kategorie umfasst Technologien, Prozesse, Materialien und Anwendungen, die darauf abzielen, konventionelle Bewaffnung und Schutzfähigkeiten zu verbessern, die von keiner anderen Kategorie abgedeckt werden. Der Schwerpunkt liegt daher eher auf der evolutionären Verbesserung bestehender Technologien, beispielsweise CBRN-Schutz, konventionellerer Schutz, nächste Generationen von Land-, See- oder Luftsystemen, Verbesserungen der Stealth-Technologie oder sogar fortschrittlicher Sprengstoffe oder Munition. Die Bedeutung der Verbesserung der Geheimdienstfähigkeiten und der Absicherung der Infrastruktur gegen Informationskriege wird ebenfalls hervorgehoben.
Die vierte Kategorie, die von elf von zwölf Staaten mit Ausnahme Japans genannt wird, ist die Quantentechnologie. Angesichts der Tatsache, dass Quantentechnologie im Vergleich zu vielen anderen hier diskutierten Technologien ein relativ neues Thema ist, überrascht dies. Obwohl seitens der Staaten Unsicherheit über die möglichen Anwendungen zu herrschen scheint, wird in den NSS oft der Eindruck geäußert, dass dieses Thema ein starkes Disruptionspotenzial haben kann, insbesondere durch Entschlüsselung und die Untergrabung aktueller Ansätze sicherer Kommunikation. Ähnlich wie bei KI sind jedoch Verweise auf konkrete Anwendungen über die allgemeine Erwähnung von „Quantentechnologie“ hinaus selten, wobei Quantencomputing dann am häufigsten vorkommt, gefolgt von Quantensensorik und -bildgebung sowie Quantenkommunikation (siehe Abbildung 8).
Blinde Flecken
Neben den Interessensschwerpunkten der Staaten ist in gleichem Maße aber auch interessant, welche Technologien, die in öffentlichen Debatten und an anderer Stelle oft als EDTs kategorisiert werden, fehlen. Human Enhancement, als auffälligstes Beispiel, wird nur von einem Land erwähnt – der Republik Korea. Human Enhancement ist ein weites Feld für sich und umfasst Themen von entfernbaren Gegenständen wie Nachtsichtbrillen oder Exoskeletten bis hin zu leistungssteigernden Medikamenten oder sogar Körpermodifikationen, einschließlich implantierter Chips oder künstlicher Gliedmaßen (meist als Prothesen). Viele dieser Technologien sind ziemlich neu und aktuell noch „Science Fiction“, aber zum Beispiel im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion wird viel geforscht, um die Schnittstelle zwischen Computer und Mensch zu optimieren. Die Forschung in diesem Bereich steckt noch in den Kinderschuhen, aber angesichts des zivilen und militärischen Nutzens der Mensch-Maschine-Interaktion scheint es plausibel zu erwarten, dass das Momentum und die Erfolge im zivilen Bereich auch breites militärisches Interesse wecken werden. Dieser Bereich sollte daher im Auge behalten und genau beobachtet werden.
Andere „blinde Flecken“ relativ selten erwähnter Technologien fallen unter die Kategorien „Nanotechnologie“ (von vier Staaten genannt) und „Sensorik“ (von fünf Staaten genannt). Schließlich, auch wenn man nicht sagen kann, dass die Kategorie „unbemannte Systeme/Roboter“ im engeren Sinne selten erwähnt wird, da sieben von zwölf Staaten sie nennen, ist das Ergebnis aus unserer Sicht erstaunlich niedrig. Das erscheint merkwürdig, könnte aber daran liegen, dass die besondere Bedeutung von Drohnen in den Konflikten der Zukunft erst durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine deutlich geworden ist und noch nicht in die NSS eingeflossen ist. Eine andere Erklärung könnte sein, dass ferngesteuerte Drohnen nicht mehr als „neu aufkommend“ angesehen werden, da mehrere (neun) Staaten automatisierte oder sogar autonome Systeme durchaus als relevant ansehen. Auf jeden Fall ist es wichtig, hier noch einmal genau hinzusehen, zumal die ehemals zivile Technologie der Mikro- oder Hobbydrohnen einen enormen Einfluss auf die Schlachtfelder der 2020er Jahre hat.
Fazit
Die Analyse der nationalen Sicherheitsstrategien hat gezeigt, dass Staaten auf dieser Ebene nicht nur ein sehr unterschiedliches Verständnis von Sicherheit haben, sondern in der Folge auch sehr unterschiedliche Prioritäten in Bezug auf moderne neue Technologien für Sicherheit setzen. Während einige Staaten sehr zurückhaltend darin sind, ihr Interesse an neuen Technologien zu bekunden, sehen andere eine Notwendigkeit, ein breites Spektrum an neuen Technologien in ihr Militär einzuführen oder zumindest in diese Richtung zu justieren.
Interessanterweise traten „der Westen“ oder die untersuchten NATO-Staaten nicht als ein einheitlicher Block mit synchronisierten technologischen Präferenzen zutage. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass Bedrohungswahrnehmungen, die eigene Stellung im internationalen System und historische Tendenzen zur Technikbegeisterung die individuellen Technologiepräferenzen bestimmen.
Die Analyse zeigt auch, dass bestimmte Technologien von praktisch allen Staaten als relevant angesehen werden, darunter der – inzwischen etablierte – Bereich der Cyber-Verteidigung und Cyber-Kriegsführung, modernste Kommunikation oder der Einsatz von KI, während andere Technologien noch nicht auf diesem hohen Niveau angekommen sind. Interessant ist auch, dass der Einsatz von „Quantentechnologie“ von fast allen Staaten als sicherheitsrelevant angesehen wird, obwohl in der Mehrheit der Fälle der Effekt und die Wirkweise von Quantenanwendungen für Militär und Sicherheit noch durch Machbarkeitsstudien erforscht werden und werden müssen. Zusammengefasst machen diese Entwicklungen deutlich, dass die Erkenntnis der Notwendigkeit einer umfassenden und breit angelegten Digitalisierung der Streitkräfte zumindest in der Rhetorik das höchste Niveau erreicht. Die Fokussierung auf das Digitale ist jedoch nicht ohne Gefahren, denn in einem militärischen Konflikt kann Cyber nicht „die Stellung halten“.
Interessant ist auch, wie die Diskussion um Dual-Use-Technologien ihren Weg in die nationalen Sicherheitsstrategien findet. Einerseits wird sie verwendet, um die Absicht eines Gegners zu beschreiben, Technologie in einer Weise zu nutzen, die zwischen zivilem und militärischem Einsatz austauschbar ist. Ein Beispiel ist die NSS der USA aus dem Jahr 2022, in der die Volksrepublik China als Akteur bezeichnet wird, der wissenschaftliche Erkenntnisse aus der zivilen Forschung umfunktioniert, um von Dual-Use-Aspekten für militärische Anwendungen zu profitieren. Ein genauerer Blick auf andere NSS zeigt, dass der Brückenschlag zwischen zivilen und militärischen Technologien keine Ausnahme ist. Zum Beispiel weisen die NSS von Japan, Pakistan, der Republik Korea und Russland darauf hin, dass der Transfer von privatem, wirtschaftlichem und zivilem Wissen an das Militär dazu beitragen könnte, militärische Technologien weiter zu verbessern.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig darüber nachzudenken, wie nationale Positionen zur Technologie im Kontext der NSS in die Diskussionen über die Dual-Use-Problematik einfließen, insbesondere angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbes, in dem solche Technologien oft im Mittelpunkt stehen. Zum Beispiel gibt es trotz Zivilklauseln an vielen deutschen Universitäten auch eine lange Tradition der Abstimmung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Verteidigungsministerium (BMVg).
Die Analyse zeigt aber auch, dass umfassendere Forschung notwendig und dass die NSS nicht die ganze Geschichte erzählen. Dies liegt daran, dass insbesondere die breit angelegten Sicherheitsstrategien nicht unterscheiden zwischen Technologien, die nur zivil genutzt werden, Dual-Use-Technologien, Verbesserungen, und wirklich neuen Technologien, die dem Militär völlig neue und potenziell disruptiven Fähigkeiten bieten. Viele Fragen bleiben daher an dieser Stelle unbeantwortet, die CNTR in zukünftiger Forschung angehen wird, denn wenn es um die Frage der Regulierung und sogar der Rüstungskontrolle geht, wird die Tatsache, dass viele der relevanten Technologien in der Tat Dual-Use-Technologien sind, es schwieriger machen, restriktive Lösungen zu finden, denen viele Akteure zustimmen. Das Chemiewaffenübereinkommen beweist, dass es nicht unmöglich ist, strenge Verifikationsmaßnahmen zu ergreifen, selbst in einem Bereich, in dem ein unrechtmäßiger Einsatz möglich ist. Allerdings spielen hier auch historisch gewachsene normative Vorbehalte eine Rolle, die auf viele neue Technologien nicht zutreffen. Internationale Bestrebungen sind derzeit im Gange, zum Beispiel die Diskussion im UN-Waffenübereinkommen über tödliche autonome Waffensysteme. Auch gibt es Ansätze zur Cyber-Rüstungskontrolle, auch wenn sie noch in den Anfängen steckt. Beispielsweise gibt es Strategien zur Regulierung der für hohe Leistung benötigten Hardware, und mit der von den Niederlanden und der Republik Korea initiierten REAIM-Konferenz beginnt sich ein internationales Forum herauszubilden, das den verantwortungsvollen Einsatz militärischer KI diskutiert.
Footnotes
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Republic of Poland (2020). National Security Strategy of the Republic of Poland. https://www.bbn.gov.pl/ftp/dokumenty/National_Security_Strategy_of_the_Republic_of_Poland_2020.pdf; siehe S. 7, unsere Übersetzung und Hervorhebung. Englische Originalpassage: „Development of solutions based on fixed line and mobile broadband (5G and subsequent generations), the Internet of Things, cloud computing, quantum technologies, automation of services, machine learning, nanotechnology and artificial intelligence create new development opportunities for Poland, while generating previously unknown threats“ Siehe auch: Federal Foreign Office (2023). Robust. Resilient. Sustainable. Integrated Security for Germany [Nationale Sicherheitsstrategie Deutschlands]. https://www.nationalesicherheitsstrategie.de/National-Security-Strategy-EN.pdf; S. 24 und 54. ↩
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Europäische Union. https://eda.europa.eu/webzine/issue22/cover-story/driven-by-global-threats-shaped-by-civil-high-tech ↩
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NATO. https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_184303.html ↩
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Aus dem Vergleich geht jedoch hervor, dass die EDA „Weltraum- und Hyperschallsysteme“ als eine technologische Kategorie versteht, während die NATO diese beiden Kategorien trennt. ↩
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Clapp, S. (2022). Emerging disruptive technologies in defence. European Parliamentary Research Service. https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/ATAG/2022/733647/EPRS_ATA(2022)733647_EN.pdf; siehe S. 1, unsere Übersetzung. ↩
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Europäische Union. https://eda.europa.eu/webzine/issue22/cover-story/driven-by-global-threats-shaped-by-civil-high-tech ↩
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Schörnig, N. (2014). Liberal Preferences as an Explanation for Technology Choices. The Case of Military Robots as a Solution to the West‘s Casualty Aversion. In M. Meyer, M. Carpes, R. Knoblich (Hrsg.). The Global Politics of Science and Technology - Vol. 2 (S. 67-82). Springer; Csernatoni, R., & Martins, B. O. (2023). Disruptive Technologies for Security and Defence: Temporality, Performativity and Imagination. Geopolitics, 29(3), 849–872. https://doi.org/10.1080/14650045.2023.2224235 ↩
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Die Reihenfolge der Länder in diesem Text richtet sich nach der alphabetischen Sortierung im Englischen. ↩
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République Française (2022). Nationale strategische Überprüfung. https://www.sgdsn.gouv.fr/files/files/rns-de-20221202.pdf; siehe S. 10. ↩
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République Française, 2022; siehe S. 33. ↩
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République Française, 2022; siehe S. 26, 29, 41, 45, 53. ↩
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République Française, 2022; siehe S. 39; République Française; siehe S. 8. ↩
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République Française; siehe S. 25. ↩
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Republic of Poland, 2020; siehe S. 6, unsere Übersetzung. ↩
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Republic of Poland, 2020; siehe S. 7, unsere Übersetzung. ↩
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Republic of Poland, 2020; siehe S. 18, unsere Übersetzung. ↩
-
Kingdom of Spain (2021). National Security Strategy 2021. https://www.dsn.gob.es/es/documento/estrategia-seguridad-nacional-2021; siehe S. 27, unsere Übersetzung. ↩
-
Carter, A. B. (2001). Keeping the Edge. Managing Defense for the Future. In A. B. Carter & J. P. White (Hrsg.), Keeping the Edge. Managing Defense for the Future (S. 1–25). MIT Press. ↩
-
Shane, S. & Wakabayashi, D. (2018, 4. April). ‘The Business of War’: Google Employees Protest Work for the Pentagon. The New York Times. https://www.nytimes.com/2018/04/04/technology/google-letter-ceo-pentagon-project.html ↩
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Bergengruen, V. (2024, 8. Februar). How Tech Giants Turned Ukraine Into an AI War Lab. Time. https://time.com/6691662/ai-ukraine-war-palantir/ ↩