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Anhang

Internationale Verträge im Zusammenhang mit der Abrüstung, Nichtverbreitung und Dual-Use-Risisken von chemischen und biologischen Waffen

Internationale Verträge

Das Genfer Protokoll von 1925

Das „Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege“, gewöhnlich als das Genfer Protokoll von 1925 bezeichnet, verbietet den Einsatz chemischer und biologischer Waffen in Kriegen zwischen den hohen Vertragsparteien. Im August 2025 hatte das Genfer Protokoll 146 Mitgliedsstaaten. Bei der Unterzeichnung erklärten viele Parteien, dass sie sich gegenüber Staaten, welche die Bestimmungen des Protokolls nicht einhalten, nicht mehr an das Protokoll gebunden fühlen und sich damit de facto das Recht auf Vergeltung mit gleichen Mitteln vorbehalten. Das Verbot des Einsatzes chemischer und biologischer Waffen hat sich jedoch zu einer Regel des Völkergewohnheitsrechts entwickelt, was bedeutet, dass es universell für alle Staaten in internationalen wie auch innerstaatlichen Konflikten gilt.1

Deutschland unterzeichnete das Protokoll am 17. Juni 1925 und ratifizierte es am 25. April 1929. Es hat nie irgendwelche Vorbehalte an seine Mitgliedschaft geknüpft.

Übereinkommen über das Verbot von biologischen Waffen und Toxinwaffen (BWÜ, BTWC)

Das „Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen“ (Übereinkommen über biologische Waffen, BWÜ; auch: Biological and Toxin Weapons Convention, BTWC) ist ein internationaler Abrüstungsvertrag und der älteste Vertrag, der eine ganze Kategorie von Waffen verbietet.2 Es wurde 1972 zur Unterzeichnung aufgelegt und trat 1975 in Kraft. Im August 2025 zählte es 189 Vertragsstaaten. Vier Staaten haben das BWÜ unterzeichnet, aber nicht ratifiziert, während vier weitere Staaten es weder unterzeichnet noch ratifiziert haben.3 Das BWÜ verbietet uneingeschränkt die Entwicklung, die Herstellung, den Besitz, den Erwerb, das Zurückbehalten und die Weitergabe von biologischen Waffen. Außerdem verpflichtet es seine Mitglieder, die Verbreitung von biologischem Waffenmaterial zu verhindern, die internationale Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung von Biologie und Biotechnologie zu fördern und die Vertragsbestimmungen durch nationale Gesetze und Vorschriften umzusetzen. Forschung ist nicht durch das BWÜ abgedeckt. Diese Entscheidung wurde vermutlich getroffen, weil der inhärente Dual-Use-Charakter eines Großteils der Biologie und Biotechnologie sowie die enge Verflechtung mit Fragen der öffentlichen Gesundheit es unmöglich machen, bestimmte Arten von Forschung zu verbieten oder allgemein zu beschränken, da dies auch legitime und nützliche Forschungsaktivitäten einschränken könnte.4

Biologische Waffen sind definiert als mikrobiologische oder andere biologische Agenzien oder Toxine „von Arten und in Mengen, die nicht durch Vorbeugungs-, Schutz- oder sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind“, sowie die Mittel zur Ausbringung solcher Agenzien oder Toxine „für feindselige Zwecke oder in einem bewaffneten Konflikt“ (BWÜ Artikel I). Das Verbot ist somit umfassend und nicht an bestimmte biologische Agenzien oder Arten von Ausbringungsmitteln gebunden, sondern basiert auf der Absicht, ein Agens für biologische Waffenzwecke zu verwenden (Allgemeines Zweckkriterium, General Purpose Criterion). Das bedeutet, dass alle neuen relevanten wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen automatisch unter das BWÜ fallen.

Das BWÜ sieht keine Maßnahmen vor, um die Einhaltung seiner Bestimmungen zu überprüfen. Die Bemühungen, ein Verifikationssystem einzuführen, scheiterten 2001, und das Thema kehrte erst kürzlich auf die offizielle BWÜ-Agenda zurück. Auf der 9. BWÜ-Überprüfungskonferenz im Jahr 2022 einigten sich die Vertragsstaaten auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die allen Vertragsstaaten offen steht und deren Mandat vorsieht, „to identify, examine and develop specific and effective measures, including legally-binding measures, and to make recommendations to strengthen and institutionalise the Convention in all its aspects, to be submitted to States Parties for consideration and any further action“.5 Neben der Verifikation und der Einhaltung der Vertragsbestimmungen befasst sich die Arbeitsgruppe mit folgenden Themen: internationale Zusammenarbeit und Unterstützung; nationale Implementierung; Unterstützung, Reaktion und Vorbereitung; organisatorische, institutionelle und finanzielle Angelegenheiten; Vertrauensbildung und Transparenz; sowie wissenschaftliche und technologische Entwicklungen (W&T). Die Arbeitsgruppe soll ihre Ergebnisse und Empfehlungen spätestens auf der nächsten BWÜ-Überprüfungskonferenz im Jahr 2027 vorlegen.

Neue Entwicklungen in der Biologie und Biotechnologie stellen Chancen und Herausforderungen für das BWÜ und die internationalen Bemühungen zu seiner Stärkung dar. Einige Fortschritte in diesen und verwandten wissenschaftlichen Disziplinen – wie der künstlichen Intelligenz (KI) – können genutzt werden, um die Reaktionsbereitschaft zu verbessern oder die Verifikation der Vertragseinhaltung zu erleichtern. Einige Materialien und Technologien könnten jedoch auch für illegale und feindliche Zwecke missbraucht werden oder die Hürden für die Entwicklung und den Erwerb biologischer Waffen senken. Die Verhandlungsführer*innen des BWÜ erkannten die Bedeutung des wissenschaftlichen Fortschritts bereits an, indem sie die Überprüfung relevanter W&T-Entwicklungen als Aufgabe für die BWÜ-Überprüfungskonferenz in Artikel XII des Übereinkommens aufnahmen. Zwar wurde diese Aufgabe nie systematisch und kollektiv auf kontinuierlicher Basis angegangen, die BWÜ-Arbeitsgruppe hat aber nun den Auftrag, Empfehlungen an die Vertragsstaaten zu richten für die Einrichtung eines „mechanism to review and assess scientific and technological developments relevant to the Convention and to provide States Parties with relevant advice“.6 Wenn ein solcher Mechanismus eingerichtet wird, könnte er die Entwicklungen von W&T beobachten, auswerten und beurteilen und den Vertragsstaaten Hilfestellung geben, wie sie potenzielle Risiken, einschließlich solcher aus Dual-Use-Forschung, erkennen und abmildern können. Der Mechanismus könnte auch dazu beitragen, Wege zu finden, wie mögliche Vorteile genutzt werden können, um die Reaktionsbereitschaft auf Krankheitsausbrüche unabhängig von deren Ursprung zu verbessern oder das BWÜ als Ganzes zu stärken. Die Verhandlungen über einen W&T-Beratungsmechanismus waren Mitte 2025 weit fortgeschritten, sind aber aufgrund der geopolitischen Spannungen und der Obstruktionspolitik Russlands ins Stocken geraten.

Obwohl das BWÜ selbst keinen Verweis auf Bioterrorismus, Biosicherheit oder Gesundheitsvorsorge enthält, haben diese Themen in den letzten 20 Jahren Eingang in den BWÜ-Diskurs gefunden und sind nun fester Bestandteil der Diskussionen. Nicht über alle damit zusammenhängenden Definitionen und Interpretationen besteht unter den BWÜ-Mitgliedern Konsens. Die diskursive Verschiebung hat das BWÜ jedoch in den Mittelpunkt eines größeren Bündels von Maßnahmen gestellt, die darauf abzielen, biologische Risiken einzudämmen, wobei das Spektrum solcher Risiken natürliche Krankheitsausbrüche, die unbeabsichtigte Freisetzung biologischer Agenzien, den vorsätzlichen Einsatz biologischer Agenzien zu kriminellen oder terroristischen Zwecken und den Einsatz biologischer Waffen durch Staaten umfasst.

Deutschland unterzeichnete das BWÜ am 10. April 1972 und ratifizierte es am 7. April 1983.

Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ)

Das „Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen“ (Chemiewaffenübereinkommen, CWÜ) wurde 1993 zur Unterzeichnung aufgelegt und trat 1997 in Kraft. Im August 2025 zählte es 193 Vertragsstaaten. Israel hat das CWÜ unterzeichnet, aber nicht ratifiziert, während Ägypten, Nordkorea und der Südsudan den Vertrag weder unterzeichnet noch ratifiziert haben. Das CWÜ enthält ein umfassendes Verbot von Chemiewaffen einschließlich ihres Einsatzes. Es enthält auch Verpflichtungen für die Vertragsstaaten, die Verbreitung chemischer Waffen zu verhindern, die internationale Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Chemie zu fördern, im Falle eines chemischen Angriffs Hilfe zu leisten und die Vertragsbestimmungen auf nationaler Ebene umzusetzen. Anders als das BWÜ richtet das CWÜ eine eigene Vertragsorganisation ein, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW), die die Umsetzung des Übereinkommens überwacht.7

Chemische Waffen sind in CWÜ Artikel I definiert als „toxische Chemikalien und ihre Vorprodukte, mit Ausnahme derjenigen, die für nach diesem Übereinkommen nicht verbotene Zwecke bestimmt sind, solange diese nach Art und Menge mit solchen Zwecken vereinbar sind“, verbunden mit Munition, Geräten und Ausrüstungen, die für ihre Ausbringung bestimmt sind. Toxische Chemikalien haben eine Reihe von legitimen Anwendungen; deshalb macht das CWÜ das Verbot von den Zwecken abhängig, für die sie verwendet werden (Allgemeines Zweckkriterium, General Purpose Criterion) und definiert Ausnahmen für legitime Anwendungen. Nicht verbotene Zwecke umfassen Anwendungen in Industrie, Landwirtschaft, Medizin und Pharmakologie sowie den Schutz vor Chemikalien und andere Anwendungen zu Verteidigungszwecken. Darüber hinaus gilt das vertragliche Verbot nur, wenn der Einsatz der betreffenden Chemikalie von ihren toxischen Eigenschaften abhängt (im Gegensatz zu beispielsweise explosiven, brandfördernden oder ätzenden Eigenschaften). Schließlich dürfen einige Chemikalien, wie Tränengase, für die Strafverfolgung und die Bekämpfung von Unruhen im Inland eingesetzt werden, aber nicht als Methode der Kriegsführung.

Das CWÜ schafft ein komplexes Verifikationssystem, das von der OVCW und ihrem Technischen Sekretariat umgesetzt wird. Als Teil dieses Systems basieren die routinemäßigen Industrieinspektionen auf drei Listen („Schedules“), die Chemikalien aufführen, die als chemische Kampfstoffe entwickelt oder hergestellt wurden oder die aufgrund ihrer Toxizität, anderer Eigenschaften oder ihrer Bedeutung für die Herstellung der in den Schedules 1 und 2 aufgeführten Chemikalien „eine Gefahr im Sinne von Ziel und Zweck“ des CWÜ darstellen könnten. Neben der Höhe des Risikos, das von den jeweiligen Stoffen ausgeht, hängt die Einstufung in eine der Listen auch davon ab, wie häufig die betreffenden Chemikalien für kommerzielle Zwecke verwendet werden. Chemikalien der Liste 1, die in der Vergangenheit als chemische Waffen entwickelt, hergestellt oder verwendet wurden, haben nur eine geringe oder gar keine kommerzielle Verwendung. Chemikalien der Liste 2 stellen ein erhebliches Risiko dar und werden nicht im großen Maßstab kommerziell hergestellt. Chemikalien der Liste 3 wurden ebenfalls als chemische Waffen hergestellt oder verwendet, haben aber auch gängige legitime Anwendungen und unterliegen daher weniger strengen Kontrollen. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, erfasste Chemikalien sowie bestimmte chemische Anlagen zu melden, die dann von der OVCW nach dem Zufallsprinzip für Industrieinspektionen ausgewählt werden, um zu überprüfen, ob die Chemikalien und Anlagen nur für die angegebenen und erlaubten Zwecke verwendet werden. Es sei darauf hingewiesen, dass die Listen zu Verifikationszwecken verwendet werden und nicht verbotene Substanzen oder chemische Waffen definieren. Die Verwendung jedweder toxischen Chemikalien, ob gelistet oder nicht, als chemische Kampfstoffe ist eindeutig verboten. Chlor ist ein typisches Beispiel: Es ist aufgrund seiner weit verbreiteten zivilen Anwendung in keiner Liste aufgeführt, aber sein Einsatz als chemische Waffe – z. B. im syrischen Bürgerkrieg – war ebenso illegal wie der Einsatz des in Liste 1 aufgeführten Nervenkampfstoffs Sarin.

Zusätzlich zu den Routineinspektionen sieht das CWÜ vor, dass ein Vertragsstaat bei Verdacht auf einen Vertragsverstoß eines anderen Vertragsstaats eine Verdachtsinspektion oder die Untersuchung eines vermuteten Chemiewaffeneinsatzes beantragen kann. Keiner dieser beiden Mechanismen wurde bisher in Anspruch genommen. Als ab 2012 Chemiewaffenangriffe aus Syrien gemeldet wurden, errichteten die UN und die OVCW stattdessen verschiedene ad-hoc-Mechanismen, um die Anschuldigungen zu untersuchen, die Verantwortlichen zu identifizieren und andere Bedenken hinsichtlich der syrischen Vertragseinhaltung zu klären. Infolgedessen haben sich Ermittlungs- und Identifizierungstechnologien sowie chemische Forensik zunehmend als notwendige Kapazitäten für die OVCW erwiesen. In der Vergangenheit war eine weitere Kernaufgabe der OVCW die Verifikation der Vernichtung von deklarierten Chemiewaffenlagern und -anlagen. Da jedoch die Vernichtung aller dieser Bestände und Anlagen im Jahr 2023 abgeschlossen wurde, trat die OVCW offiziell in eine neue Phase ein und konzentriert sich nun stärker darauf, ein Wiederaufkommen von chemischen Waffen zu verhindern.

In Anerkennung der Bedeutung, die wissenschaftliche und technologische Entwicklungen in der Chemie für das CWÜ im Allgemeinen haben, richteten die Verhandlungsführer*innen des CWÜ einen Wissenschaftlichen Beirat (Scientific Advisory Board, SAB) ein, der die einschlägigen Entwicklungen überwachen und den Generaldirektor und die Mitgliedstaaten der OVCW beraten soll (CWÜ Artikel VIII, 21.h). Das SAB besteht aus 25 Mitgliedern, die unabhängige Expert*innen sind und von den Vertragsstaaten aus verschiedenen Regionen nominiert werden, um eine ausgewogene geografische Repräsentanz zu gewährleisten. Das SAB tritt jährlich zusammen und legt seine Empfehlungen dem Generaldirektor und den Vertragsstaaten vor. In der Vergangenheit wurden unter anderem zeitlich befristete Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen eingerichtet, wie zum Beispiel zu Biotoxinen (2022–2024) oder zur chemischen Forensik (seit 2025). Die OVCW verfügt über ein eigenes Labor, das im OVCW-Zentrum für Chemie und Technologie (ChemTech Centre) untergebracht ist. Das Labor führt nicht nur Verifikations- und Untersuchungsaufgaben der OVCW aus, sondern bietet auch Möglichkeiten zum Austausch, zum Training und zum Ausbau der Fähigkeiten unter Forschenden. Chemieterrorismus wird im Text des Übereinkommens nicht ausdrücklich erwähnt, aber es wird anerkannt, dass die OVCW eine Rolle bei seiner Verhütung spielen kann, unter anderem durch den Aufbau von Kapazitäten und die Ausbildung in chemischer Sicherheit, und dass die wirksame nationale Implementierung des CWÜ dazu beiträgt, Chemieterrorismus zu verhindern.8 Einige Entwicklungen in der Chemie und anderen Disziplinen, allen voran die Künstliche Intelligenz (KI), bieten Möglichkeiten, Verifikation zu verbessern und Kapazitäten in den Bereichen Chemikaliensicherheit, Gefahrenabwehr und Verteidigung auszubauen. Dieselben Entwicklungen können jedoch auch ein Potenzial für Missbrauch bergen, das erkannt, beobachtet und abgeschwächt werden muss.

Deutschland unterzeichnete das CWÜ am 13. Januar 1993 und ratifizierte es am 12. August 1994. Es hat derzeit einen Sitz im Exekutivrat der OVCW.

Andere Instrumente zur Unterstützung der Abrüstung und Nichtverbreitung von biologischen und chemischen Waffen

Der Mechanismus des UN-Generalsekretärs (UNSGM)

1987 ermächtigte die UN-Generalversammlung (UNGV) den UN-Generalsekretär durch die UNGV-Resolution 42/37C, jeden Fall eines mutmaßlichen Einsatzes von biologischen, oder chemischen oder Toxin-Waffen zu untersuchen, der ihm von UN-Mitgliedern zur Kenntnis gebracht wird. Damit hat sie den Mechanismus des UN-Generalsekretärs zur Untersuchung des mutmaßlichen Einsatzes chemischer oder biologischer Waffen (UNSGM) eingerichtet. Der UNSGM hat seine Rechtsgrundlage im Genfer Protokoll von 1925 und ist der einzige internationale Mechanismus, der derzeit zur Verfügung steht, um den mutmaßlichen Einsatz von biologischen Waffen zu untersuchen.9 Zwar deckt der UNSGM auch den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen ab, doch in der Praxis und angesichts der nahezu universellen Mitgliedschaft im CWÜ würden solche Fälle höchstwahrscheinlich von der OVCW behandelt werden.

Wenn ein UN-Mitglied eine UNSGM-Untersuchung beantragt und der UN-Generalsekretär feststellt, dass genügend Hinweise vorliegen, um eine solche Untersuchung zu rechtfertigen, kann er kurzfristig ein Missionsteam entsenden. Dabei kann er auf eine Liste von Expert*innen und Laboratorien zurückgreifen, die von UN-Mitgliedstaaten an das UN-Büro für Abrüstungsfragen (UN Office for Disarmament Affairs, UNODA) benannt wurden. Das Mandat einer solchen Mission wäre es, den Sachverhalt aufzuklären und festzustellen, ob tatsächlich chemische, biologische oder Toxinwaffen eingesetzt wurden. Der Mechanismus ist politisch unabhängig und ausschließlich dem UN-Generalsekretär unterstellt. Der UN-Sicherheitsrat (UNSR) spielt bei der Untersuchung keine formelle Rolle.

Deutschland ist Mitglied der „Gruppe der Freunde des UNSGM“ und einer der aktivsten Unterstützer der Bemühungen, den Mechanismus zu stärken.

UN-Sicherheitsratsresolution 1540 (2004)

Im Jahr 2004 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat (UNSR) Resolution 1540. Diese verpflichtet alle UN-Mitglieder dazu, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung von nuklearen, biologischen oder chemischen Waffen (ABC-Waffen) und deren Trägermitteln an nichtstaatliche Akteure zu verhindern sowie über ihre Umsetzung der Resolution zu berichten. Die Resolution wurde seither mehrmals erneuert, zuletzt im Jahr 2022, als sie für einen Zeitraum von zehn Jahren verlängert wurde (UNSR-Resolution 2663). Gemäß der Resolution 1540 müssen die UN-Mitglieder nationale Gesetze verabschieden und durchsetzen, um nichtstaatliche Akteure an der Entwicklung oder dem Erwerb von ABC-Waffen zu hindern, auf nationaler Ebene physische Schutzmaßnahmen für relevantes ABC-Material ergreifen sowie wirksame Grenz- und Transferkontrollen einrichten. Ein eigener Ausschuss, der 1540-Ausschuss, wurde eingerichtet, um die Umsetzung der Resolution 1540 zu unterstützen, unter anderem durch die Verwaltung der nationalen Berichte und die Unterstützung der UN-Mitglieder bei der Umsetzung der Resolution.

Deutschland hat die Resolution 1540 auf nationaler Ebene umgesetzt und fünf Berichte vorgelegt, zuletzt im Jahr 2020.

Sanktionen und Exportkontrollen

Um zu verhindern, dass Staaten oder nicht-staatliche Akteure an Materialien, Ausrüstung oder Technologie gelangen, die zur Entwicklung und Herstellung biologischer oder chemischer Waffen verwendet werden könnten, können Staaten verschiedene nationale und internationale Maßnahmen ergreifen, wie z. B. Sanktionen sowie nationale und international abgestimmte Exportkontrollen.

Laut Kapitel VII der UN-Charta kann der UN-Sicherheitsrat (UNSR) Sanktionen gegen Akteure verhängen, die eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellen. Der UN-Sicherheitsrat hat wiederholt festgestellt, dass die Verbreitung von nuklearen, chemischen und biologischen Waffen eine solche Bedrohung darstellt. Derzeit gibt es ein Regime des UN-Sicherheitsrates, das sich auch auf biologische und chemische Waffen bezieht, nämlich das Sanktions-Regime gegen Nordkorea. Die Umsetzung dieser Sanktionen ist für alle UN-Mitgliedstaaten verpflichtend. Darüber hinaus bestehen auch gegen andere Staaten einseitige Sanktionen im Zusammenhang mit biologischen und chemischen Waffen. So haben die USA Sanktionen gegen Russland, Iran, Nordkorea und Syrien verhängt, während die EU ein Sanktions-Regime in Bezug auf den Einsatz und die Verbreitung chemischer Waffen eingerichtet hat.

Exportkontrollen sind eine entscheidende Maßnahme zur Umsetzung der Nichtverbreitungsverpflichtungen, die sich aus dem BWÜ, dem CWÜ und der UNSR-Resolution 1540 ergeben. Das CWÜ sieht spezifische Handelsbeschränkungen für die in den drei Listen aufgeführten Chemikalien vor. Die in Liste 1 und 2 aufgeführten Chemikalien dürfen nur an andere Vertragsstaaten weitergegeben werden. Für Chemikalien der Liste 1 muss der ausführende Staat die OVCW außerdem über jeden Transfer informieren und alle Weitergaben entsprechender Chemikalien jährlich melden. Chemikalien der Liste 3 dürfen an Nicht-Vertragsstaaten weitergegeben werden, bedürfen dann jedoch eines Endbenutzer-Zertifikats. Für biologische Waffen gibt es kein globales System von Exportkontrollen. Vielmehr liegt die Kontrolle der entsprechenden Transfers in der Verantwortung der einzelnen Staaten. Die Australische Gruppe und das EU-Exportkontrollsystem für Dual-Use-Güter sind jedoch zwei Beispiele für multilateral koordinierte Exportkontrollmaßnahmen.

Die Australische Gruppe (AG) ist eine informelle Vereinbarung, in der 42 Länder und die EU auf der Grundlage gemeinsamer Kontrolllisten zusammenarbeiten, um ihre Exportkontrollen für Agenzien, Substanzen, Materialien, Ausrüstung und Technologien, die zur Herstellung biologischer oder chemischer Waffen verwendet werden könnten, abzustimmen. Die AG wurde 1985 gegründet, nachdem bekannt geworden war, dass der Irak mit Hilfe legaler Chemieexporte chemische Waffen hergestellt hatte, darunter auch diejenigen, die im iranisch-irakischen Krieg in den 1980er Jahren gegen den Iran eingesetzt wurden. 1991 wurden biowaffenbezogene Güter in die Kontrolllisten der Gruppe aufgenommen. Sie umfassen derzeit Listen für „Vorprodukte für chemische Waffen“, „chemische Produktionsanlagen, Ausrüstungen, zugehörige Technologien und Software“, „Ausrüstungen zur Handhabung von biologischem Material, zugehörige Technologie und Software“, „Human- und Tierpathogene und Toxine“ und „Pflanzenpathogene“. Die Mitgliedschaft in der AG ist grundsätzlich für Länder möglich, die eine Reihe von Kriterien erfüllen, die auf der Website der AG aufgeführt sind, und setzt die einstimmige Zustimmung aller derzeitigen AG-Mitglieder voraus. Es gibt jedoch einige Kontroversen um die AG. Während ihre Mitglieder ihre Existenz mit ihren Nichtverbreitungsverpflichtungen im Rahmen des BWÜ, des CWÜ und der Resolution 1540 rechtfertigen, kritisieren andere Staaten die Gruppe, weil sie diskriminierend sei und die wirtschaftliche und technologische Entwicklung durch die Beschränkung legitimer Transfers behindere.

Im Jahr 2021 hat die EU ein Kontroll-Regime für den Transfer von dual-use-fähigen Gütern eingeführt. Die zuletzt im Jahr 2024 geänderte Verordnung (EU) 2021/821 umfasst auch bio- und chemiewaffenbezogene Güter. Darüber hinaus verweist sie ausdrücklich auf das BWÜ, das CWÜ und UNSR-Resolution 1540 und verpflichtet alle EU-Mitglieder, Transferkontrollen für Artikel zu erlassen, die als dual-use-fähige Güter gelten und die in Anhang I des Regelwerks aufgeführt sind. Der Begriff „Dual Use“ wird in Kapitel 1, Artikel 2 der Verordnung wie folgt definiert: „‚Güter mit doppeltem Verwendungszweck’ Güter einschließlich Datenverarbeitungsprogramme (Software) und Technologie, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können; darin eingeschlossen sind Güter, die zur Konstruktion, Entwicklung, Herstellung oder zum Einsatz von nuklearen, chemischen oder biologischen Waffen oder ihren Trägersystemen verwendet werden können, einschließlich aller Güter, die sowohl für nichtexplosive Zwecke als auch für jedwede Form der Unterstützung bei der Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern verwendet werden können.“

Im Rahmen seiner Verpflichtungen als Mitglied der UN und der EU setzt Deutschland die vom UN-Sicherheitsrat erlassenen Sanktionen sowie die von der EU erlassenen Sanktionen und Exportbestimmungen zu dual-use-fähigen Artikeln um. Außerdem ist Deutschland ein Gründungsmitglied der Australischen Gruppe. Die für die Umsetzung der deutschen Exportkontrollpolitik zuständige Behörde ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

Ausgewählte Instrumente zur Verbesserung der chemischen und biologischen Sicherheit, zur Minderung von Dual-Use-Risiken und zur Förderung einer sicheren und ethischen Forschung in Chemie und Biologie.

Globaler Leitfaden der WHO für den verantwortungsvollen Umgang mit den Lebenswissenschaften

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte ihren Globalen Leitfaden für den verantwortungsvollen Umgang mit den Lebenswissenschaften im Jahr 2022. Es ist ein umfassendes und praxisorientiertes Referenzdokument, das Staaten bei der Entwicklung nationaler Strategien für das Biorisikomanagement unterstützen soll und sich auf biologische Sicherheit, Laborsicherheit und die Überwachung von Forschung mit Dual-Use-Charakter konzentriert. Es liefert eine Bewertung der aktuellen Situation und bietet einige Leitwerte und -prinzipien für die Governance von biologischen Risiken sowie konkrete Instrumente und Mechanismen, die auf bestimmte Gruppen relevanter Akteure zugeschnitten sind. Sein Anhang umfasst außerdem sieben hypothetische Szenarien, in denen Elemente aus dem Globalen Leitfaden angewandt werden könnten, sowie drei illustrative Fallstudien zu Forschungen, die Strategien zur Risikominderung und zum Risikomanagement erfordert. Der Globale Leitfaden ist als Hilfsmittel für Staaten gedacht; seine Umsetzung ist nicht verpflichtend.

Haager Ethikrichtlinien

Die Haager Ethikrichtlinien wurden 2015 von einer Gruppe von Praktiker*innen aus dem Bereich der Chemie entwickelt, um Elemente für Verhaltenskodizes und ethische Diskussionen zum Einsatz und zur Anwendung der Chemie im Einklang mit dem CWÜ bereitzustellen. Die Grundsätze, auf denen die Richtlinien beruhen, beziehen sich auf Nachhaltigkeit, Aufklärung, Bewusstsein und Engagement, Ethik, Sicherheit, Rechenschaftspflicht, Aufsicht und Informationsaustausch. Sie postulieren die Verantwortung der Praktiker*innen in der Chemie, dafür zu sorgen, dass die Chemie nur für friedliche Zwecke eingesetzt wird, dass das Bewusstsein für das Thema Chemiewaffen und das Missbrauchspotenzial der Chemie wächst und dass bei der Anwendung der Chemie sowohl ethische als auch sicherheitstechnische Überlegungen angestellt werden. Die Richtlinien sind nicht verbindlich, aber sie wurden von mehreren internationalen Chemieverbänden unterstützt und dienen als weithin akzeptierte Leitprinzipien für „gutes“ Verhalten in der Chemie.

Tianjin-Biosicherheitsrichtlinien für Verhaltenskodizes für Wissenschaftler*innen

Die Tianjin-Richtlinien für Verhaltenskodizes für Wissenschaftler*innen wurden 2021 von Vertretern der Universität Tianjin in China, des Johns Hopkins Center for Health Security in den USA und der InterAcademy Partnership (IAP) gemeinsam entwickelt. Sie sollen dazu beitragen, Missbrauch der Biowissenschaften, auch für Waffenzwecke, zu verhindern, indem sie das Bewusstsein für das Dual-Use- und Missbrauchspotenzial der biologischen Forschung schärfen. Die Richtlinien enthalten Grundsätze für den verantwortungsvollen Umgang mit Biowissenschaften, die in nationale Biosicherheitsvorschriften und Verhaltenskodizes aufgenommen werden könnten. Diese Initiative geht auf einen Vorschlag für einen freiwilligen Verhaltenskodex für Biowissenschaftler*innen zurück, der erstmals 2016 von China und Pakistan eingebracht wurde.10 Auf der BWÜ-Überprüfungskonferenz im Jahr 2022 legten China, Pakistan und Brasilien als Co-Sponsor die Tianjin-Richtlinien den BWÜ-Vertragsstaaten zur Annahme vor.11 Obwohl die Richtlinien von der Überprüfungskonferenz nicht formell gebilligt werden konnten, genossen sie unter den BWÜ-Mitgliedern eine sehr breite Unterstützung.

Der Rahmen für den Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung in Deutschland

In Anerkennung des Grundrechts auf Freiheit der Forschung, kodifiziert in Artikel 5 des Grundgesetzes, folgt der Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung in Deutschland einem Bottom-up-Ansatz und betont die Verantwortung der einzelnen Forschenden und Forschungseinrichtungen.

Nach der Veröffentlichung der umstrittenen sogenannten Gain-of-Function-Experimente mit einem Vogelgrippevirus (H5N1) im Jahr 2012 entwickelten der Deutsche Ethikrat sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung in den Biowissenschaften. Beide Dokumente betonten die Freiheit der Forschung und die Notwendigkeit, das Bewusstsein der Wissenschaftler*innen für potenzielle Dual-Use-Risiken im Zusammenhang mit ihrer Arbeit zu schärfen. Während der Ethikrat auch einen Top-Down-Regulierungsansatz vorschlug, der nicht umgesetzt wurde, konzentrierten sich die DFG und Leopoldina auf die Selbstregulierung der Wissenschaft und die Verantwortung der einzelnen Forschenden und Forschungseinrichtungen im Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung.

Der letztgenannte Ansatz wird von der DFG und der Leopoldina aktiv gefördert. Unter anderem ermutigt er Forschungseinrichtungen, lokale Kommissionen für die Ethik sicherheitsrelevanter Forschung (KEF) einzurichten, um Forschenden, die potenzielle Sicherheitsrisiken in ihrer Forschung identifiziert haben, Anleitung und Rat zu geben. Über den Gemeinsamen Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung, der 2014 gegründet wurde, um die Umsetzung der Empfehlungen zu unterstützen, bemühen sich DFG und Leopoldina zudem um Bewusstseinsbildung in der wissenschaftlichen Community in Deutschland.

  1. Henckaerts, J.-M., & Doswald-Beck, L. (2005). Customary international humanitarian law (Vol. 1: Rules). Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511804700
  2. Für eine Analyse des BWÜ-Regimes siehe Jakob, U. (2022). The Biological Weapons Convention. In T. Marauhn & E. Myjer (Hrsg.), Research handbook on arms control law (S. 258–277). Edward Elgar. https://doi.org/10.4337/9781788111904.00031
  3. Signatarstaaten sind Ägypten, Haiti, Somalia und Syrien; Nicht-Mitglieder sind Tschad, Dschibuti, Eritrea und Israel.
  4. „Dual-Use-Charakter“ bezeichnet hier die Möglichkeit, dass legitime biologische Forschung, Technologie, Materialien oder Ausrüstung für feindliche Zwecke, einschließlich biologischer Waffen, missbraucht werden können. Dual-use-fähige Forschung umfasst Experimente, die zwar für harmlose Zwecke konzipiert sind, aber dennoch zu Ergebnissen führen können, die missbraucht werden könnten. Bedenkliche dual-use-fähige Forschung (Dual-Use Research of Concern, DURC) bezieht sich im Allgemeinen auf Forschung, bei der dieses Missbrauchspotenzial besonders groß und unmittelbar gegeben ist.
  5. Biological Weapons Convention. (2022, 22. Dezember). Final document of the Ninth Review Conference (BWC/CONF.IX/9, S. 9). United Nations. https://digitallibrary.un.org/record/4006755?v=pdf
  6. Biological Weapons Convention (2022), S. 11.
  7. Für eine Analyse des CWÜ-Systems siehe Trapp, R. (2022). The Chemical Weapons Convention. In T. Marauhn & E. Myjer (Hrsg.), Research handbook on arms control law (S. 279–296). Edward Elgar. https://doi.org/10.4337/9781788111904.00032
  8. Zum Chemieterrorismus als Thema im Rahmen des CWÜ siehe Kelle, A. (2024). Chemical terrorism in context: Threat perceptions and CWC Review Conference responses (CBWNet Working Paper No. 13). CBWNet. https://cbwnet.org/publications/working-paper
  9. Für Informationen über den UNSGM siehe Jakob, U., Kloth, S., & Mergler, I. (2024). Investigation of alleged use of biological weapons – The UN Secretary-General’s Mechanism (PRIF Report 07/2024). Peace Research Institute Frankfurt. https://www.prif.org/fileadmin/Daten/Publikationen/Prif_Reports/2024/prif0724_barrierefrei.pdf
  10. China & Pakistan. (2022, 7. April). The Tianjin Biosecurity Guidelines for Codes of Conduct for Scientists (BWC/CONF.IX/PC/WP.10). United Nations. https://docs.un.org/BWC/CONF.IX/PC/WP.10
  11. China & Pakistan. (2016, 15. November). Proposal for the development of a model code of conduct for biological scientists under the Biological Weapons Convention (BWC/CONF.VIII/WP.30). United Nations. https://docs.un.org/BWC/CONF.VIII/WP.30