Künstliche Intelligenz, Halbleiter und Chipkriege: Die Geopolitik von KI im Militär und in der internationalen Sicherheit
Künstliche Intelligenz und Halbleiter entwickeln sich durch den Aufbau autonomer Systeme oder Datenverarbeitungs- und Entscheidungshilfetools zu entscheidenden Säulen moderner militärischer Macht und Verteidigungsfähigkeit. Die Effektivität der KI hängt jedoch vom Zugang zu spezialisierten Halbleitern ab, die in einer global fragmentierten und geopolitisch sensiblen Lieferkette hergestellt werden. Zwar treiben Chips auf dem neusten Stand der Technik den KI-Fortschritt voran, doch Halbleiter ausgereifter Fertigungsstufen bleiben aufgrund ihrer Robustheit und Langlebigkeit für Verteidigungsanwendungen unerlässlich. Während sich die Rivalität zwischen den USA und China durch Sanktionen, Infrastrukturinvestitionen und Exportkontrollen verschärft, sieht sich Europa aufgrund der begrenzten heimischen KI-Chip-Produktion mit einer strategischen Abhängigkeit konfrontiert. Um den Verlust von Einfluss in einer sich schnell entwickelnden KI-getriebenen globalen Sicherheitslandschaft zu verhindern, sollten die europäischen Entscheidungsträger*innen die Souveränität der Halbleiterindustrie stärken, kritische Vermögenswerte schützen und KI als kritische Infrastruktur anerkennen.
Streitkräfte auf der ganzen Welt integrieren KI in ihre Operationen, indem sie autonome Drohnen, Robotersysteme und entscheidungsunterstützende Tools einsetzen, um riesige Mengen von Gefechtsfelddaten in noch nie dagewesener Geschwindigkeit zu verarbeiten. In einem Umfeld, in dem das Kampftempo steigt, wird KI als unverzichtbar für die Aufrechterhaltung eines strategischen Vorteils und als notwendiges Werkzeug für die elektronische Kriegsführung, Cyberoperationen und autonome Verteidigungssysteme angesehen. Derzeit erlebt der Militärsektor einen raschen Zustrom von KI-Investitionen. Das US-Militär beispielsweise treibt KI durch Schlüsselprojekte wie Maven voran, das maschinelles Lernen zur Analyse von Überwachungsdaten für eine bessere Zielerfassung einsetzt, und Replicator, eine groß angelegte Initiative zum schnellen Einsatz von autonomen Systemen wie Drohnen zur Bekämpfung neuer Bedrohungen. Weitere bemerkenswerte Projekte sind die AI Rapid Capabilities Cell, die Thunderforge-Initiative und KI-gesteuerte Verbesserungen für Operationen der Marine und der Luftwaffe – allesamt mit dem Ziel, die Entscheidungsfindung, die Einsatzbereitschaft und die Kampfkraft zu verbessern. China beschleunigt seine militärischen KI-Programme in ähnlicher Weise. Die chinesische Regierung betrachtet KI als eine Notwendigkeit für die nationale Sicherheit und investiert in KI-gesteuerte Überwachung, Cyber-Kriegsführung und autonome Waffen. Unternehmen wie Huawei und SenseTime entwickeln KI sowohl für zivile als auch für militärische Anwendungen, was den globalen Wettbewerb um den Einsatz von KI in den Streitkräften verdeutlicht.
Im Gegensatz zu traditionellen militärischen Innovationen stammen die KI-Fortschritte weitgehend aus dem kommerziellen Sektor. Unternehmen wie OpenAI und Google DeepMind treiben KI-Durchbrüche voran, was sich schnell auf Anwendungen im Verteidigungsbereich auswirkt. Dieser Trend verändert globale Sicherheitsstrategien, da Fortschritte im Bereich der Verbraucher-KI sich auf militärische Fähigkeiten auswirken. Da Entwicklung und Betrieb einer KI viel teurer sind als die derzeitigen IT-Cloud-Anwendungen, sind die Bemühungen der kommerziellen KI-Branche, ihre Technologie zu monetarisieren, ein wichtiger Antriebsfaktor für diesen Trend.1 Unternehmen wie OpenAI haben abonnementbasierte Einnahmemodelle getestet, haben aber Schwierigkeiten, durch öffentliche kommerzielle Anwendungen eine Rendite für ihre Investitionen zu erzielen.2 Andere Unternehmen, wie Palantir mit seinem Programm Gotham3 oder Googles Beteiligung am Projekt Thunderforge,4 positionieren sich zunehmend als KI-Lieferanten für Regierungen, Streitkräfte und Sicherheitsbehörden. Außerdem nutzen Startup-Unternehmen diese Entwicklungen, um ihre Produkte anzupreisen. Ein Beispiel ist Anduril Industries – ein auf autonome Systeme spezialisiertes Unternehmen für Verteidigungstechnologie – und sein Produkt Lattice, ein kommerziell verfügbares KI-gestütztes System, das einsatzbereite Sensornetzwerke und Verteidigungsdrohnen integriert, die für die autonome Überwachung und den Schutz der Umgebung autonom gesteuert werden.
Während sich derzeit viel Aufmerksamkeit auf hochdichte und leistungsstarke Halbleiter-Fertigungsstufen der Spitzenklasse unterhalb von 7 nm richtet, bleiben Chips mit gröberen Strukturen – wie solche oberhalb der Größe von 28 nm – für die Streitkräfte weltweit von entscheidender Bedeutung. Bei vielen militärischen Systemen haben Zuverlässigkeit, Strahlungstoleranz und langfristige Verfügbarkeit Vorrang vor der reinen Rechenleistung. Chips solcher ausgereiften Fertigungsstufen sind oft robuster gegen kosmische Strahlung und Angriffe mit Mitteln der elektronischen Kriegsführung, was sie ideal für Satelliten, Radarsysteme und sichere Kommunikationsgeräte macht. Darüber hinaus werden militärische Plattformen häufig auf jahrzehntelange Lebensdauer ausgelegt, so dass Technologien bevorzugt werden, die einfacher herzustellen, zu warten und zu reproduzieren sind, ohne dass sie so schnell veralten wie hochmoderne Unterhaltungselektronik. Daher ist es für die nationale Verteidigung genauso wichtig, einen sicheren und souveränen Zugang zu Halbleitertechnologien ausgereifter Fertigungsstufen sicherzustellen wie in die neuesten Chip-Innovationen zu investieren.
Die globale Halbleiter-Infrastruktur
Im Jahr 2025 entfallen etwa 28%5 der weltweiten Produktion von Halbleitern, die mit 28 nm und größeren Fertigungsstufen hergestellt werden, auf China, wobei Prognosen einen Anstieg auf 39% bis 2027 vorhersagen.6 Andere führende Herstellerländer in diesem Segment sind Taiwan (vor allem TSMC), die Vereinigten Staaten (vor allem GlobalFoundries) und Südkorea (Samsung). Chinas rasante Expansion in der Produktion von Halbleitern ausgereifter Fertigungsstufen wird größtenteils durch strategische Investitionsinitiativen und den eingeschränkten Zugang zu hochmodernen Halbleiterherstellungstechnologien vorangetrieben.
Künstliche Intelligenz ist auf spezialisierte Halbleiterchips angewiesen, die komplexe Hochgeschwindigkeitsberechnungen durchführen und dabei eine kontinuierliche, umfangreiche Arbeitslast bewältigen können. Das Herzstück dieses Ökosystems sind die . Ursprünglich für das Rendering von Grafiken und Computerspielen entwickelt, sind GPUs aufgrund ihrer massiv parallelen Architektur heute von entscheidender Bedeutung für die KI. Mit der Fähigkeit, Tausende von Rechenkernen auf einem einzigen Chip unterzubringen, können aktuelle GPUs Rechenoperationen für tiefe neuronale Netzwerke mit großer Effizienz ausführen. Ebenso wichtig sind die von Google speziell entwickelten Tensor Processing Units (TPUs), die systolische Arrays verwenden, eine spezielle Hardware-Architektur für parallele Berechnungen mit hohem Durchsatz, die für viele KI-Operationen nützlich ist. Andere Hardwareansätze für KI-Berechnungen sind anwendungsspezifische integrierte Schaltkreise (ASICs), die speziell für enge KI-Funktionsbereiche wie Bilderkennung oder Natursprachverarbeitung entwickelt wurden. Diese Chips opfern Flexibilität für Leistung und Energieeffizienz, was sie ideal für umfangreiche KI-Inferenzanwendungen in Cloud- und Edge-Umgebungen macht. Einige Ansätze, wie neuromorphe Chips, versuchen sogar, biologische neuronale Systeme zu modellieren. Sie verwenden neuronale Netze und ereignisgesteuerte Verarbeitung, um den Energieverbrauch drastisch zu senken, was einen potenziellen Durchbruch bei der Entwicklung von Low-Power- (stromsparend) und Always-On- (Dauerbetrieb) KI-Systemen bietet.
Neben dieser rechenintensiven Hardware ist HBM (High-Bandwidth Memory, Speicher mit hoher Bandbreite) eine weitere wichtige Komponente von KI-Systemen, da er eine schnelle Datenübertragung zwischen den Rechenchips und dem Speicher für die Zwischenspeicherung und den Austausch von Ergebnissen ermöglicht. Im Gegensatz zu herkömmlichen technischen Ansätzen stapelt HBM den Speicher vertikal und verbindet ihn mit Silizium-Durchkontaktierung (Through-Silicon-Vias, TSVs). TSVs erfordern zwar entsprechend hochpräzise Produktionsprozesse, bieten dafür aber eine deutlich höhere Bandbreite und Energieeffizienz, ein wichtiger Kompromiss für KI-Beschleuniger wie GPUs und TPUs.
Die Produktion all dieser Chips hängt von einer eng vernetzten und hochspezialisierten globalen Lieferkette ab. Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor führend im Bereich der Chiparchitektur und des Chipdesigns, angeführt von Unternehmen wie NVIDIA, AMD und Intel, die auf die von Cadence und Synopsys entwickelten EDA-Tools (Electronic Design Automation) angewiesen sind. Die eigentliche Herstellung der fortgeschrittenen Fertigungsstufen – Prozesse unter 5 nm – ist jedoch in Taiwan konzentriert, wo TSMC über 90% der weltweit fortschrittlichsten KI-Chips produziert. Diese Chips werden mit Lithographiemaschinen im extremen Ultraviolettbereich (EUV) hergestellt, die fast ausschließlich von ASML in den Niederlanden produziert werden. Ohne die Maschinen von ASML, die pro Stück mehr als 200 Millionen Dollar kosten, wäre eine moderne Chip-Produktion unmöglich. Aber auch Deutschland spielt eine Rolle mit optischen Systemen, die von ZEISS entwickelt und produziert werden. Das Unternehmen liefert hochpräzise Lithographie-Optiken, die die für die Herstellung von KI-Prozessoren notwendigen EUV-Lithographie-Prozesse ermöglichen.7 Trotz seiner führenden Position bei der Produktion „konventioneller“ Chips – 28 nm und mehr – wurde Chinas Fortschritt bei der Entwicklung und Produktion künstlicher Intelligenz durch umfassende Exportbeschränkungen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten erheblich behindert.8 Diese Maßnahmen umfassen Beschränkungen für den Transfer von Halbleiterproduktionsausrüstung, insbesondere für die Produktion von Chips unter 14 nm. Darüber hinaus wurde der Zugang zu wichtiger EDA-Software und kritischem geistigen Eigentum eingeschränkt, was Chinas Fähigkeit behindert, modernste KI-Hardware im eigenen Land zu entwickeln und zu produzieren.

Das gesamte Halbleiter-Ökosystem würde ohne kritische Produktionsmaterialien wie Seltene Erden, Kobalt und Gallium, die größtenteils aus China, der Ukraine und mehreren afrikanischen Ländern bezogen werden, nicht funktionieren, was die Lieferketten anfällig für geopolitische Spannungen macht.9 Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Backend-Packaging und -Testing, das häufig in Südostasien (Malaysia, Vietnam, Philippinen) durchgeführt wird. In dieser Phase wird der Halbleiterchip (das kleine Stück Silizium, das die elektronischen Schaltkreise enthält) in ein Schutzgehäuse eingeschlossen. Dies schützt den Chip vor Umwelteinflüssen und stellt die notwendigen elektrischen Verbindungen zwischen dem Mikrochip und dem größeren elektronischen System, wie z. B. einer Platine, her. Fortschrittliche Verpackungstechnologien wie 3D-Stacking und Chiplet-Integration werden immer wichtiger, um die Leistung von Chips zu verbessern.
KI als zentrales Thema im internationalen Machtkampf
Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass KI binnen kurzer Zeit zu einem strategischen Gut im globalen Wettstreit um die technologische Vorherrschaft geworden ist, was wiederum die nationalen Abhängigkeiten vom Zugang zu hochmodernen Halbleitern deutlich macht. Dieser Wettbewerb wirkt sich auf den technologischen Fortschritt aus, denn bereits kleine Leistungssteigerungen bei der Chipeffizienz können die Kosten erheblich senken, die Fähigkeiten erweitern und die Wettbewerbslandschaft neugestalten. Er wirkt sich auch auf den Zugang zu bestimmten Maschinen, Produktionsmaterialien und geistigem Eigentum selbst aus.
Vor diesem Hintergrund verschärft sich die KI-Rivalität zwischen den USA und China, und beide Staaten investieren enorme Summen. So zielt beispielsweise die US Stargate Initiative, eine 500 Milliarden Dollar schwere Infrastrukturpartnerschaft zwischen Regierung und Industrie, auf den Aufbau von KI-Rechenzentren in den gesamten USA ab.10 Auch China investiert im Rahmen großer staatlicher und privater Initiativen massiv in KI, darunter ein 138 Milliarden Dollar schwerer staatlicher Technologiefonds11 und ein 8,2 Milliarden Dollar schwerer nationaler KI-Investitionsfonds zur Beschleunigung von Innovationen. Andere chinesische Tech-Giganten wie Alibaba und Tencent stocken ebenfalls auf. Alibaba verspricht dabei 50 Milliarden Dollar über drei Jahre, und Tencent erhöht die KI-bezogenen Investitionsausgaben auf 10,7 Milliarden Dollar im Jahr 2024.12
Neben der Förderung der heimischen KI-Entwicklung greifen beide Länder zunehmend zu weiteren Maßnahmen, um Konkurrenten den Zugang zur Technologie zu verwehren. Die USA haben mehrere Exportkontrollen für KI-Chips eingeführt,13 die Chinas Zugang zu kritischer Hardware einschränken. Als Reaktion darauf hat China die Investitionen in die heimische Halbleiterindustrie erhöht, liegt aber bei der Herstellung von KI-Chips immer noch Generationen zurück. Trotz dieser Lücke dominiert China die Produktion gröberer, nicht für KI vorgesehener Chips, was dem Land Einfluss auf die globalen Lieferketten verschafft.
Europa steht vor seinen eigenen Herausforderungen. Während Firmen wie ASML wichtige Lithografie-Technologie liefern, fehlt es dem Kontinent an einer ausreichenden Infrastruktur für die Herstellung von KI-Chips, was strategische Abhängigkeiten von den USA und Taiwan schafft. Vor diesem Hintergrund sehen die europäischen Entscheidungsträger*innen KI und Halbleitertechnologie zunehmend als kritische Infrastruktur an und versuchen, die Finanzierung von Forschungs- und Produktionsmöglichkeiten auszuweiten oder zu etablieren.14
Auch Russland erkennt die strategische Bedeutung von KI. Berichte deuten auf eine wachsende KI-Zusammenarbeit zwischen Russland und China hin, um den Fortschritten der USA entgegenzuwirken. Russland investiert in die KI-gestützte Automatisierung von Gefechtsfeldern und Cyber-Operationen und signalisiert damit, dass KI in zukünftigen bewaffneten Konflikten eine immer größere Rolle spielen wird.
Ein jüngstes Beispiel für die Volatilität des KI-Wettbewerbs war DeepSeek, ein chinesisches KI-Modell, das kurzzeitig die globalen Märkte erschütterte. Die Behauptung, dass es eine vergleichbare Leistung wie westliche KI-Modelle erreiche, dabei aber deutlich weniger Rechenleistung benötige, ließ die NVIDIA-Aktie vorübergehend fallen und verunsicherte die US-Technologieszene. Sollten diese Behauptungen zutreffen, würde dies die Annahme in Frage stellen, dass die Überlegenheit der KI von einer massiven Recheninfrastruktur abhängt. Dennoch bleibt Skepsis bleibt bestehen. Eine unabhängige Bestätigung fehlt. Einige Analyst*innen vermuten, dass die Ankündigung von DeepSeek strategisch platziert war, um Unsicherheit auf den westlichen KI-Märkten zu erzeugen. Auch wenn dies nur teilweise zutrifft, unterstreicht die Episode den anfälligen und dynamischen Charakter der KI-Technologie. Regierungen und Privatunternehmen investieren in großem Umfang in die Computerinfrastruktur, doch softwaregesteuerte Effizienzdurchbrüche wie neue Berechnungsansätze oder Methoden, die die Größe von KI-Modellen bei vergleichbarer Leistung verringern, könnten den derzeitigen Fokus auf Vorherrschaft im Hardware-Bereich ins Wanken bringen und die Exportkontrollen als geopolitisches Instrument schwächen. Die künftige Führungsrolle der KI wird nicht nur von überlegenen Chips abhängen, sondern auch von softwaregesteuerter Anpassungsfähigkeit.
Weitere Perspektiven
Obwohl sie nicht Gegenstand dieses Kapitels sind, werden auch mehrere andere Aspekte die Diskussion über KI und ihre sicherheitsrelevanten Auswirkungen in naher Zukunft wahrscheinlich beeinflussen (oder tun es bereits).
Eine wachsende Herausforderung für die KI-Infrastruktur ist der massive Stromverbrauch der KI-Rechenzentren. Das Training großer Modelle wie GPT-4 oder kundenspezifischer Bildverarbeitungssysteme kann Energie in der Größenordnung von Megawatt verbrauchen,15 was dem Bedarf einer Kleinstadt entspricht. Dies hat dazu geführt, dass die Entwicklung neuer Lösungen für zukünftige KI-Cluster gefordert wird. Diese KI-Einrichtungen erfordern oft hochentwickelte Flüssigkeitskühlsysteme, Wärmemanagementlösungen und redundante Stromversorgungsarchitekturen, was ihre Komplexität und Umweltauswirkungen weiter erhöht.
Im Gegensatz zum traditionellen Cloud Computing müssen KI-Serverfarmen aufgrund von Latenz- und Bandbreitenanforderungen stark zentralisiert sein, was zu potenziellen Schwachstellen (Single Points of Failure) führt. Diese zentralen KI-Zentren werden zunehmend unter dem Aspekt der nationalen Sicherheit betrachtet – sie sind anfällig für Cyberangriffe, Sabotage in der Lieferkette, Netzausfälle und physische Angriffe. Ihre dichte Rechenlast erzeugt auch einen hohen thermischen Fußabdruck, der sie von normalen Rechenzentren unterscheidet.16 Dies führt zwar zu neuen Schwachstellen, kann aber im Hinblick auf die künftige Rüstungskontrolle auch als Grundlage für Verifikationsmaßnahmen dienen.
Schließlich steigt auch die weltweite Nachfrage nach Unterseekabelinfrastruktur stark an, angetrieben durch den Datenbedarf von Anwendungen der künstlichen Intelligenz. KI-Systeme, insbesondere das Training von Modellen in großem Maßstab, erfordern eine große Bandbreite und Verbindungen mit geringer Latenz. Unterseekabel bieten diese Möglichkeit und verstärken damit ihre ohnehin wichtige Rolle bei der Unterstützung des globalen Internetverkehrs.17 US-Technologiegiganten wie Google, Meta, Microsoft und Amazon dominieren diesen Sektor und besitzen oder investieren in großem Umfang in einen beträchtlichen Teil der weltweiten Unterseekabelkapazität.18 Projekte wie das Projekt Waterworth von Meta, das den Bau des längsten Unterseekabels der Welt zum Ziel hat, zeigen, wie diese Unternehmen ihre globale KI-Infrastruktur ausbauen.19 Dieser Besitz sichert zwar den Bedarf an Datenübertragungen, wirft aber auch Fragen zur digitalen Souveränität und zur zentralisierten Kontrolle über kritische Kommunikationsinfrastrukturen auf.20
Empfehlungen für politische Entscheidungsträger*innen
Die Abhängigkeiten von KI und das Wettrennen um Halbleiter erfordern proaktive politische Entscheidungen. Obwohl Deutschland und Europa derzeit eine untergeordnete Rolle in der globalen Halbleiter-Lieferkette spielen, gibt es einige Einflussmöglichkeiten. Die folgenden Empfehlungen beschreiben die wichtigsten Schritte, um an der technologischen Spitze zu bleiben, die Stabilität der Lieferkette zu erhalten und geopolitische KI-Herausforderungen zu meistern.
Anpassung an den KI-Wettbewerb zwischen den USA und China durch heimische Halbleiterproduktion
Angesichts der zunehmenden Spannungen und des Wettbewerbs zwischen den USA und China bei Halbleitern und KI kann Europa die Abhängigkeiten deutlich reduzieren, indem es die heimische Halbleiterforschung, -entwicklung und -produktion weiter ausbaut. Einige wichtige Schritte wurden bereits durch Programme wie den EU AI Continent Action Plan21 oder den EU Chips Act22 unternommen, aber diese allein werden nicht ausreichen – eine Kritik, die kürzlich vom Europäischen Rechnungshof geäußert wurde.23 Da die derzeitige Trump-Administration versucht, die KI-Führerschaft in der Welt zu erlangen und aufrechtzuerhalten,24 indem sie – neben anderen Maßnahmen – versucht, Halbleiterproduktionsanlagen in die USA zu holen,25 ist ihre Rolle als zuverlässiger zukünftiger Lieferant fraglich. Auch China schränkt indirekt den Zugang zu Halbleiterproduktionskapazitäten ein, indem es die Exportkontrollmaßnahmen auf Seltene Erden26 ausweitet, die – neben anderen High-Tech-Anwendungen – für die Herstellung von Chip-Produktionsmaschinen benötigt werden. Obwohl also keine formellen Exportkontrollen für Halbleiter angekündigt wurden, können diese Maßnahmen als Teil einer strategischen Konsolidierung des Halbleitersektors in China gesehen werden, da China seine Fähigkeiten in diesem Bereich politisch nutzen will. Da der Aufbau inländischer Kapazitäten in Europa jedoch ein mittel- bis langfristiges Projekt ist, kann die strategische Nutzung der bestehenden Interdependenzen wertvoller europäischer Unternehmen wie ASML oder ZEISS zur Stabilisierung der derzeitigen Lieferketten beitragen.
Schutz der europäischen Halbleiter- und KI-Assets
In Anbetracht der hervorgehobenen Bedeutung europäischer Unternehmen wie ASML oder ZEISS sollten geeignete Maßnahmen zum Schutz dieser Aktivposten ergriffen oder eingerichtet werden. So hat ASML auf Ersuchen der US-Regierung im Januar 2024 die Lieferung von Chip-Herstellungsanlagen der neusten Generation nach China eingestellt. Während ASML die Entscheidung offiziell auf geänderte Exportlizenzbestimmungen zurückführt, deuten Berichte darauf hin, dass der Druck der USA eine wichtige Rolle bei dieser Aktion gespielt hat.27 Darüber hinaus hat die niederländische Regierung im Januar 2025 ihre Exportkontrollpolitik an die der USA angeglichen, so dass ASML für bestimmte Werkzeuge für die Chipherstellung Lizenzen von der niederländischen Regierung einholen muss. Dieser Schritt verschärft effektiv die Beschränkungen für die Exporte von ASML nach China und spiegelt den Einfluss der US-Politik auf ihre Verbündeten wider.28 Eine solche Beeinflussung, sei es durch politischen Druck oder wirtschaftlichen Einfluss, sollte durch klare politische Aussagen und mögliche Schutzgesetze verhindert werden. Um eine führende Position innerhalb der globalen Halbleiter-Lieferketten zu behalten, sollten koordinierte Maßnahmen zwischen den europäischen Ländern in Betracht gezogen werden, um die Verbreitung der Technologie bewusst zu kontrollieren.
Anerkennung von KI und Halbleitern als kritische Infrastruktur
Produktionsanlagen für Halbleiter, notwendige Maschinen oder die Verarbeitung von Produktionsmaterialien sollten als Teil der nationalen kritischen Infrastrukturen anerkannt werden. Da Deutschland und die EU Halbleiter und KI bereits als Schlüsseltechnologien von strategischer Bedeutung für die Sicherheit anerkannt haben,29 müssen bestehende Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionseinrichtungen angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen, insbesondere – aber nicht ausschließlich – im Hinblick auf die Cybersicherheit, um die Infrastruktur vor Cyberangriffen und Spionage zu schützen. Europa und Deutschland haben in ihren Regelwerken für kritische Infrastrukturen strenge Richtlinien, rechtliche Verpflichtungen und praktische Empfehlungen für diesen Ansatz entwickelt. Die Halbleiterproduktion sowie KI-Serversysteme sollten ausdrücklich in diesen Rahmen einbezogen werden, um ihrer Bedeutung und den potenziell weitreichenden und massiven Auswirkungen Rechnung zu tragen, die eine Beschädigung oder ein Ausfall dieser Systeme auf die europäische Gesellschaft haben könnte.
In Anbetracht des Tempos, in dem sich KI-Technologie derzeit entwickelt, ihrer sicherheitsrelevanten Abhängigkeiten und ihrer sich bereits abzeichnenden Auswirkungen auf globale Politik und internationale Spannungen sind Entscheidungen erforderlich, um Deutschland und Europa als Stakeholder in diesen Prozessen zu etablieren, zu erhalten und zu stärken.
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